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Regine Dehnel "Deutsche Kriegsgefangene im Gebiet Wologda 1942-1949" (Teil 3)
04.06.2013, 13:21

Inhalt

Heimkehr und Neuanfang

Ein Ausblick


Heimkehr und Neuanfang

Wenngleich die Genfer Konvention vorgeschrieben hatte, daß Kriegsgefangene nach Einstellung der Kriegshandlungen möglichst schnell zu entlassen sind, sollte sich dieser Prozeß für die deutschen Kriegsgefangenen nach dem 8. Mai 1945 z.T. noch jahrelang hinziehen. Auf der Konferenz der Moskauer Außenminister der Alliierten hatten Vertreter der beteiligten Mächte 1947 Zahlen der in ihren Ländern noch in Gewahrsam gehaltenen Kriegsgefangenen genannt.
Großbritannien: 435.295
USA: 30.976
Frankreich: 301.483
UdSSR: 890.532

Letztgenannte Zahl sollte zu heftigen Diskussionen führen, da man zu diesem Zeitpunkt noch ca. 2.500.000 bis 3.000.000 Kriegsgefangene in sowjetischer Gefangenschaft vermutet hatte.

Quelle: Arthur L. Smith. Die "vermißte Million". Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem zweiten Weltkrieg. Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Bd. 65. R. Oldenbourg Verlag GmbH München 1991.

Im Verlaufe der Moskauer Konferenz einigte man sich auf ein definitives Entlassungsdatum für alle noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen: 31.12.1948.

"Die Repatriierung arbeitsunfähiger Kriegsgefangener, welche durch eine Verfügung des Ministerrats der UdSSR mit der Nummer 1671-414 SS vom 16. Mai 1947 erklärt wurde, rettete vielen, welche schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, nach hause zurückkehren zu können, das Leben. [...] Zum 10. Juli 1948 befanden sich in den Lagern [des Gebietes Wologda] noch 9.344 Menschen, davon 9.292 Deutsche, 5 Österreicher, 42 Spanier und 2 Bürger der UdSSR [...] 5.786 Deutsche wurden als Invaliden und nicht arbeitsfähig anerkannt, und waren daher zu entlassen. Geheime Dokumente verbaten allerdings die Repatriierung höherer Offiziere, die jünger als 60 Jahre waren (davon gab es mehr als 530) und jener Gefangenen, welche die Aufmerksamkeit der Operativen Abteilungen auf sich gezogen hatten (davon gab es 1.700). All diesen Personen war ungeachtet von Invalidität und Gesundheitszustand der Weg nach hause versperrt.

W.B. Konasow/W.W. Sudakow. ebenda. S. 72 f.

"Für die Rückkehr in die Heimat wurden Kranke und nicht mehr Arbeitsfähige ausgesucht und von russischen Ärzten untersucht, dann in einer Baracke zusammengelegt, bis der Transport abging. Es vergingen Wochen bis dann so ein Transport losfuhr. Es mußten ja die Waggons bereitgestellt werden. Das machte wohl große Schwierigkeiten. Wie lange so ein Transport unterwegs war, kann ich nicht sagen. In Brest mußte dann alles umgeladen werden und es kamen deutsche Waggons. In Frankfurt/ Oder wurden die Transporte von russischer Seite übernommen und dann den deutschen Behörden übergeben. Wir wurden dann nach Cronenfelde gebracht, dort auf die einzelnen Länder, wo jeder hin wollte, zusammengelegt (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt). Die in die westlichen Besatzungszonen kamen, wurden nach Friedland bei Göttingen gebracht und von dort aus dann in ihre Heimatorte entlassen. In Frankfurt/Oder bekamen wir 50 DM Entlassungsgeld. Damit waren wir dann abgefertigt. Durch den Krieg habe ich meine Heimat (Sudetenland) verloren. Als ich in Frankfurt/Oder ankam, wußte ich nicht, wohin ich sollte. Alle, die dieses Schicksal ereilte, mußten nach Pirna in ein Lager für Heimatlose. Dort mußte man 14 Tage Quarantäne machen und danach wurde über das Arbeitsamt eine Arbeitsstelle vermittelt." R.H

"Als feststand, wer in Tscherepowez entlassen wurde, kamen die in eine Quarantäne-Baracke und wurden laufend untersucht. Am Entlassungstag wurden wir aufgerufen und nochmals am Lagertor gefilzt. Zuvor bekamen wir einigermaßen Bekleidung, meistens ehemalige deutsche Uniformstücke. Dann ging es zur Eisenbahn in vierachsige Waggons mit Begleitkommando. Die Türen blieben auf, denn wer wollte jetzt noch fluchten? Die Fahrtroute führte über Wologda, Jaroslawl, Moskau, Smolensk, Minsk, in Brest Umsteigen auf Normalspur, Warschau, Frankfurt/Oder. Nicht weit vom Bahnhof war ein Lager, wo wir 20 (?) Mark erhielten. Tolle Redner begrüßten uns und wiesen auf ein "Neues Deutschland" hin. Nur wer nachweisen konnte, daß er im Westen wohnte, wurde weiter verfrachtet. [...] Als es dunkelte, zeigte man uns einen Film unter freiem Himmel "Die Mörder sind unter uns". [...] Dann brachte man uns über Cottbus nach Erfurt. Nochmals aufteilen. [...] Dann mit einem normalen Personenzug Ahrenshausen, Endstation Zonengrenze. Fußmarsch zum Grenzübergang nach Friedland. Die Russen hatten die Balken schon geschlossen. Die Tommis wollten uns noch durch lassen. Ein Offizier von uns versuchte, mit den Engländern zu sprechen, wurde aber von den Russen zurückgeholt. So lagen wir die Nacht über im Straßengraben. Morgens Weitermarsch, dann mit Omnibussen zum Entlassungslager-Durchgangslager Friedland. Entlausen auf amerikanisch mit Pulver. Anmelden beim DRK, Essensausgabe und mit D-Zugwagen zum Münsterlager. Die Tommis fragten nach besonderen Einheiten und Arbeiten in der SU. Vom Intelligenz-Service wurden wir vernommen. Weiter mit der Eisenbahn nach Münster/ Westfalen. Nochmals Überprüfung der Papiere und endgültige Entlassung. Ab jetzt könnte jeder mit Freifahrtschein zu seinem Heimatort fahren. [...] Man suchte alte Freunde auf und Schulkollegen. Wobei die Eltern der Freunde mir ab und zu 10 oder 20 Mark schenkten. Wer in Rußland war, hatte etwas ganz Schlimmes erlebt, so die Einstellung einer ausgebombten Bevölkerung. Allerdings erfuhr ich auch, daß etliche Schulkollegen gefallen oder vermißt waren. Die erste Freundin!" K.B.

Die Rückkehr der ehemaligen Kriegsgefangenen nach Deutschland erfolgte in einer Zeit, in der der Kalte Krieg zwischen Ost und West schon in vollem Gange war. Die Anti-Hitler-Koalition war längst zerfallen. Die Stelle des realen Faschismus nahm das neuerlich erstandene Gespenst der Gefahr aus dem Osten ein. Der Antikommunismus hatte in der Politik der ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion im Kampf gegen Hitler Hochkonjunktur. Entmilitarisierung und Entnazifizierung Deutschlands schienen weniger vordringlich zu sein, als die Rüstung gegen die Gefahr einer "Bolschewisierung" ganz Europas. In diese Atmosphäre fiel die Rückkehr zahlreicher Heimkehrer aus sowjetischer Gefangenschaft. Was in den Lagern im Konflikt zwischen BDO/ NKFD und später ANTIFA und dem Gros der Kriegsgefangenen, welche aus welchen Gründen auch immer die Zusammenarbeit mit der ANTIFA ablehnten, seinen Ausdruck gefunden hatte, setzte sich bei Ankunft der Rückkehrer in Frankfurt/Oder offenbar fort. Die schnelle wechselseitige Zuschreibung, die die einen als Verräter, die anderen als eingefleischte Nationalsozialisten definierte, wirkte weiter. Nuancierungen scheinen sowohl in den Lagern als auch in der zumindest offiziell stark ideologisierten Atmosphäre des Heimkehrerempfangs in Frankfurt/Oder kaum stattgefunden zu haben. Bei einem Teil der einheimischen Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone/ später der DDR hatte sich zudem wohl eine Art Sündenbockmentalität ausgeprägt. Diese ließ die Heimkehrer als ehemalige aktive Kriegsteilnehmer automatisch auch als die Hauptschuldigen am Kriegsgeschehen, einschließlich der zahlreichen Kriegsverbrechen erscheinen, von denen nach Kriegsende soviel öffentlich geworden war. Für sich selbst nahm man in Anspruch, schon immer gegen Nationalsozialismus und Krieg gewesen zu sein. Als bester Beweis erschien der Umstand, daß man selbst schließlich aus keiner Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. So schaukelte sich ein Konflikt hoch, der in die fünfzigjährige Auseinandersetzung zwischen dem offiziellen Antifaschismus der DDR und dem schnellen Übergehen zur Tagesordnung in der BRD führte. Klischeedenken, begünstigt durch die Atmosphäre des Kalten Krieges, ermöglichte, daß manche unglaubwürdige Läuterung zum Antifaschisten in der DDR unbemerkt blieb oder vom Wunschdenken akzeptiert wurde. Es erlaubte Verantwortlichen in der BRD wie auch Teilen der Bevölkerung, wirkliche Schuldige an Krieg und Nationalsozialismus eher zu entschuldigen, deren Verantwortung herunterzuspielen. Beides diente als Argument im wechselseitigen Schlagabtausch und Beschuldigen, nicht aber als Grundlage eines ernsthaften Gesprächs. Ideologische Lager wurden auf Jahrzehnte zementiert. Jene Lageratmosphäre, in der es vielen unmöglich gewesen war, überhaupt, geschweige denn laut, kritisch über die eigene Rolle in Nationalsozialismus und Krieg zu reflektieren, setzte sich damit fort.

"Es war für uns schon deprimierend. Alles rund herum war abgesperrt. Die Bevölkerung wurde mit Gewalt zurückgedrängt. Es gab keine Gespräche, ganz im Gegenteil. Auf unserem Transport hatten wir eine sehr gute Verpflegung, hatten wir Brot genug. Wir wollten es verteilen, wurden daran gehindert, aber wir haben es irgendwie doch geschafft. Wahrscheinlich war in der höheren Ebene ein gewisses Klischeedenken, - da kommen die 5 Jahre nach dem Krieg, sie sind ja mit Recht Verbrecher. [...] Fur uns gab es nur einen Gedanken. So schnell wie möglich nach 5 1/2 Jahren Gefangenschaft in die Freiheit zu kommen. Es sind ja nur noch ein paar Kilometer. Was stören da so kleine Schikanen." H.F.

"Sie fragen, ob wir in der Gefangenschaft Gespräche über Schuld geführt, ob wir Reue hatten. Dazu muß ich sagen, nein. Dafür war ja die Antifabewegung da, die für Brei sich selber verleugnet haben. Wir hatten nur einen Gedanken: zu überleben und die Heimat wiederzusehen." H.F.

"In Brest-Litowsk fanden nicht nur das Spur-Umsteigen und eine durchgreifende Entlausung sondern auch eine strenge Kontrolle der Kriegsgefangenen statt. Bei dieser wurden in der Tat noch Blutgruppen-Tätowierungen der SS entdeckt oder sonstige Rechnungen beglichen, was zu Rücktransporten führte. Die Gewahrsamsmacht versuchte durch wiederholte Kontrollen zu verhindern, daß Kriegsgefangene schriftliche Informationen nach dem Westen brachten. [...] Die Heimfahrten gestalteten sich, zumal im Hochsommer, "lockerer" als die Hinfahrten. Eine sowjetische Begleitmannschaft war schon aus Gründen der Verpflegung während der mehrtägigen Reise anwesend, aber auch zum Aufrechterhalten der Ordnung (Gewährleistung der Kontrolle in Brest-Litowsk), vielleicht gar zu unserem Schutz (Durchfahrt durch das frühe Polen). Ab wann gestattet war, die Schiebetüren unserer Güterwagen geöffnet zu lassen, weiß ich nicht mehr." F.M.

"Bei unserer Ankunft in Frankfurt/Oder arbeiteten Organe der Besatzungsmacht und der DDR Hand in Hand. Es fanden Registrierungen, Kontrollen, Untersuchungen pp. statt. Willkommen geheißen wurden wir nicht direkt, schon gar nicht wir, die wir in den Westen Weiterreisen wollten. [...] Erst im Lager Friedland wurden wir tatsächlich willkommen geheißen, allerdings auch gleich vom britischen Geheimdienst verhört." F.M.

"1949 verließ die Hauptmasse der Kriegsgefangenen die Grenzen der UdSSR. Der Zurückhaltung der übrigen, zumal nach der TASS-Erklärung über den Abschluß der Repatriierung [vom selben Jahr], mußte eine gesetzliche Form verliehen werden. Eine s.g. zwischenbehördliche Kommission von 4 Leuten, die schmerzhaft an die Sonderkommissionen [der Stalinschen Säuberungen] erinnerte, bestätigte Listen jener, welche von der Repatriierung auszunehmen waren. Im Eiltempo wurden im Wesentlichen nach Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR Urteile wegen Spionage, Banditentum, Vergehen gegen die Lagerleitung gefällt. Im Endeffekt befanden sich unter den Urteilen offenkundig ausgedachte, 'mit weißen Fäden genähte'. Auch im Gebiet Wologda wurden die letzten Kriegsgefangenen in besondere Lager überführt, u.a. in das Lager N 211 bei Wytegra. Erst Anfang der fünfziger Jahre wurde dieses Lager aufgelöst. Andere Lagerinsassen wurden in Straflager außerhalb des Gebietes Wologda verbracht."

W. B. Konasow/W.W. Sudakow. ebenda. S.72

Erst 1955 sollten die letzten deutschen Kriegsgefangenen die Sowjetunion verlassen. Ein Erlaß des Präsidiums des obersten Sowjets vom 28.9.1955 hatte unter Berücksichtigung eines Gesuchs der Bundesregierung vom 27.7.1955 die vorzeitige Entlassung von 8.877 deutschen Kriegsgefangenen und ihre Repatriierung an ihre Wohnorte in der DDR und der BRD verfügt. Außerdem wurden nach diesem Erlaß 749 deutsche Staatsangehörige je nach Wohnort des Betreffenden als Kriegsverbrecher an die Regierungen der DDR und der BRD übergeben, "da das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR eine vorzeitige Entlassung der genannten Personen aus dem Strafvollzug auf Grund der besonderen Schwere der von ihnen begangenen Verbrechen gegen das Sowjetvolk für unmöglich erachtet."

Sbornik zakonow SSSR i ukazow presidiuma werchownogo soweta SSSR w dwuch tomach. Moskwa 1968. Bd. l. S.632 [Sammlung der Gesetze der UdSSR und der Erlasse des Obersten Sowjets der UdSSR in 2 Bänden.]

Unter den so lange zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen, dies weist das Zitat von Konasow/ Sudakow deutlich aus, befanden sich zweifellos zu Unrecht zu hohen Strafen Verurteilte. Insgesamt bargen sämtliche Verurteilungen der bis 1955 in der Sowjetunion zurückgehaltenen Kriegsgefangenen das Problem in sich, daß die Urteile auf eine Weise zustande gekommen waren, die westeuropäischen Normen von Rechtssprechung in keiner Weise genügten. Als spätes Eingeständnis dieser Fakten darf man zweifellos den Umstand werten, daß seit 1992 mit Einwilligung russischer Seite ein deutsch-russisches Pilotprojekt zur Auswertung von Personalakten deutscher Kriegsgefangenen läuft, welches Akten russischer Archive nutzt, die bis 1992 geheim und für Ausländer unzugänglich waren. Im Ergebnis der Auswertung wurden bereits hunderte wegen angeblicher Kriegsverbrechen verurteilte ehemalige deutsche Kriegsgefangene von Gerichten der GUS-Staaten juristisch rehabilitiert. Dies bedeutet allerdings keineswegs, daß alle Verurteilungen aus der Zeit nach 1945 einer sachlichen Grundlage entbehrten.
In der Gruppe der 1955 aus der Gefangenschaft an die deutschen Regierungen übergebenen Kriegsgefangenen befand sich Dr. Carl Clauberg. Er hatte in der NS-Zeit Menschenversuche an Judinnen, Sinti und Roma durchgeführt, um wirkungsvolle Sterilisierungsformen zwecks Geburtenverhinderung bei "Undeutschen" Völkern zu entwickeln. Die meisten der 150 Judinnen und 35 Zigeunerinnen aus Auschwitz und Ravensbrück starben an den Versuchen Claubergs. Clauberg war 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft gekommen und dort zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.

Quelle: Ralph Giordano. Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Die Pläne der Nazis nach dem Endsieg. Verlag Volk und Welt Berlin. 1991. S.173.

Viele der Heimkehrer kehrten in ihre Familien zurück. Bei weitem nicht immer waren diese intakt über den Krieg gekommen. Manche standen vor dem Nichts. Der Neuanfang war wohl für den normalen Heimkehrer in jedem Falle schwer. Eine Arbeitsstelle mußte gefunden werden. Manche der jüngeren hatten um eine Zulassung zum Studium zu kämpfen.

"Über Gegenstände aus der Gefangenschaft verfüge ich nicht. Mein ganzes Hab und Gut war das, was ich anhatte und ein kleiner Beutel. Hätte ich nicht so schnell meine Eltern durch Zufall gefunden, wäre es mir schlecht ergangen, auch mit meiner Kleidung und alles, was so drum herum war." R. H.

"Arbeit bekam man derzeit [1947/8] nur durch Fürsprache." K.B.

"Das Problem entstand nicht aus meiner sowjetischen Gefangenschaft sondern aus der Tatsache, daß ich aktiver Offizier gewesen war. Zwar nahm der britische Universitätsoffizier neuerdings keinen Anstoß mehr daran. Aber im Zulassungsausschuß saßen Vertreter aller politischer Parteien; und der Vertreter der KPD senkte regelmäßig den Daumen." F.M.

Ein Ausblick

Die persönlichen Reflexionen ehemaliger Gefangener der Kriegsgefangenenlager des Gebietes Wologda über die Zeit der Gefangenschaft sind sehr verschieden. Dennoch scheint nach so langer Zeit eine Grundhaltung zu überwiegen, die auf Versöhnung zielt. Dem förderlich sein dürfte der Umstand, daß mit dem zunächst geistigen, dann auch politischen Umbruch in der ehemaligen Sowjetunion eine kritische Aufarbeitung der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges begonnen hat, daß sich nun auch russische Historiker sehr sachlich dem Thema der deutschen Kriegsgefangenen widmen können. Trotz erklärbarer und verständlicher geteilter Meinung der Bevölkerung der ehemaligen Sowjetunion zu diesem Thema sind auch unter dieser die Fähigkeit zum Mitempfinden und die Bereitschaft zur Versöhnung zu beobachten. Allein schon die Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten dürfte ein wichtiger Schritt in Richtung Verständigung, gegenseitiger Akzeptanz und Übernahme künftiger Verantwortung sein.

Trotz großer anfänglicher Schwierigkeiten gelang es so Frau v. W. 1993 den Sterbeort ihres ersten Mannes in dem ehemaligen Dorf Iwanowskoje im Gebiet Wologda zu besuchen. Dem ersten Besuch des Ortes folgte 1994 ein weiterer, in dessen Ergebnis ein Grabmal für den Verstorbenen an der ehemaligen Kirche Iwanowskoje eingerichtet werden konnte. Dorfbewohner halfen dabei und versprachen, sich um die Pflege des Grabmals zu kümmern.

Gerade einzelne Vorgänge im Gebiet Wologda aus jüngerer Zeit stehen dafür, daß spätestens angesichts der Toten Rachegelüste und Schuldzuweisungen verstummen. Vielleicht wird über den späten menschlichen Umgang mit den Toten in Form der pfleglichen Behandlung der Grabstätten auch eine Annäherung der Lebenden und ein breiter, offenerer Dialog über dieses Kapitel deutsch-russischer Geschichte möglich werden.

"An den Stellvertretenden Vorsitzenden des Gebietssowjets der Volksdeputierten G.T.Chripel

Auf N 370/ h-2 vom 23.10.1991 teile ich mit, daß im Ergebnis der Registrierung von Grabstätten ausländischer Kriegsgefangener in der Stadt Sokol und Umgebung festgestellt wurde: auf dem Städtischen Friedhof gibt es ein Gemeinschaftsgrab von Kriegsgefangenen. Jetzt ist dieses Territorium mit Beton und Asphalt bedeckt und wird für Trauerfeiern zum 9. Mai genutzt. Die Wiedererrichtung des Friedhofs der Kriegsgefangenen ist nicht möglich, da diese Stelle in das Gedenkensemble für die gefallenen Sowjetsoldaten 1941-1945 einbezogen und die Stele 'Mutter-Heimat' dort errichtet ist. Im Gebiet des RMS befindet sich ein zweites Gemeinschaftsgrab Kriegsgefangener, welches von Birken überwachsen ist, die 1947 bis 1950 hier gepflanzt wurden. Gegebene Grabstätte kann man wieder rekonstruieren und herrichten. Die Höhe der Auslagen kann man erst nach Erarbeitung eines Projektes und nach Rücksprache mit den Bewohnern Sokols bestimmen, da das Verhältnis zu dieser Frage ein gemischtes ist.

Stellvertretender des Vorsitzenden der Administration der Stadt Sokol A.A.Tjuchin."

"An den Vorsitzenden des Amtes für Inneres beim Wologodsker Ausführenden Gebietskomitee Generalmajor Milkow

Auf dem Territorium des Rayon Woschega, unweit der Siedlung Woschega, befinden sich Grabstätten ehemaliger deutscher Kriegsgefangener. In den fünfziger Jahren (so erinnere ich mich) standen auf den Gräbern noch Birkenkreuze. Wieviele es waren? Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, nicht weniger als 50, vielleicht auch mehr. Jetzt gibt es an der Stelle des Friedhofes schon lange nichts mehr, nur kleine Hügelchen erinnern hier und da daran. Eine Gruppe von Bewohnern der Siedlung Woschega, darunter auch ich, haben vor, diesen Gräbern wieder eine entsprechende Form zu geben. Dafür benötigen wir dringend Angaben über die Begrabenen (Namen, Familiennamen, Lebensdaten). Das Dargelegte berücksichtigend bitten wir Sie, uns in dieser Frage zu helfen. Nach den uns zur Verfügung stehenden Informationen des Wologodsker Gebietsarchivs befinden sich o.g. Informationen im Informationszentrum des Amtes für Innere Angelegenheiten.

Hochachtungsvoll
Kolzow I. A.
3.12.1990"

Dr.phil.Regine Dehnel
Greifswald 1995

Zitiert aus: W.B.Konasow/W.W.Sudakow

Herausgeber: 26. Deutscher Evangelischer Kirchentag. Hamburg 1995

Kategorie: Neue Bücher und Publikationen | Hinzugefügt von: Anatoli
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