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Regine Dehnel "Deutsche Kriegsgefangene im Gebiet Wologda 1942-1949" (Teil 1)
04.06.2013, 13:35

Inhalt

Vorwort. Zur Entstehungsgeschichte der Ausstellung

Wege in die Gefangenschaft

Ankunft und Alltag im Lager


Vorwort. Zur Entstehungsgeschichte der Ausstellung

August 1994. Ich weile zu Besuch bei Freunden in Wologda. Eine Bekannte, die im Museum der Stadt arbeitet, bittet mich, einen Archivfundus zu sichten, der deutschsprachige Dokumente enthält und deren verschiedene Handschriften ihr Schwierigkeiten bereiten. Der Archivfundus, der aus 4 dicken Heftern besteht, entpuppt sich als Sammlung von Briefen, Postkarten und Aufzeichnungen deutscher Kriegsgefangener, die zwischen 1942 und 1949 ihre Gefangenschaft im Gebiet Wologda verbracht haben. Es handelt sich um Material, welches bis vor kurzem verborgen in den Schränken des Museums schlummerte. Im August 1994 nun plant die Historische Abteilung des Museums auf Anregung einzelner Historiker aus Wologda, die sich schon langer mit dem Thema deutscher Kriegsgefangener beschäftigen, dieses zum Gegenstand einer Ausstellung zum 50. Jahrestag des Kriegsendes zu machen.

Bis August 1994 war das Thema Kriegsgefangenschaft für mich sehr fern. Ich hatte nur eine verschwommene Vorstellung davon, dass und wo es Kriegsgefangene gegeben hatte. Über die Situation Kriegsgefangener hatte ich kaum je nachgedacht. Nun las ich im Verlauf eines ganzen Tages verzweifelte Anfragen nach Vätern oder Söhnen, registrierte die auf Karten und Briefen angebrachten Vermerke, dass dieser an Ruhr, jener an anderer Krankheit verstorben sei, spürte ganz unmittelbare menschliche Nöte. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass dieses Material viel eher ein deutsches, denn ein russisches Publikum, für welches die Ausstellung zunächst geplant wurde, betraf und anging.

Sehr spontan entstand die Idee, die Ausstellung zu Kriegsgefangenen im Gebiet Wologda nach Deutschland zu holen. Im Laufe der Monate modifizierte sich manches an dieser Idee. Eine fertige Ausstellung aus Wologda nach Hamburg zu bringen, erwies sich als äusserst kompliziert und letztendlich nicht zu realisieren. Berührungsängste, politische Ressentiments, Unsicherheiten und auch noch immer nicht verheilte Wunden verhinderten dieses. Sie bewirkten, dass in Wologda selbst nun keine Extraausstellung dieses Thema behandeln wird. Einzelne Materialien aus dem Fundus zu den deutschen Kriegsgefangenen werden jedoch Eingang in die neu gestaltete Gesamtexposition des Museums zum Grossen Vaterländischen Krieg, wie der Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion (1941-1945) in der ehemaligen Sowjetunion genannt wird, finden.

Während sich die Situation hinsichtlich der Ausstellungserarbeitung in Wologda zunehmend komplizierter gestaltete, waren hier in Deutschland Kontakte zu noch lebenden ehemaligen Gefangenen von Wologda entstanden. Es schien mir in dieser Situation trotz der Entwicklung in Wologda unmöglich, die Kontakte nun einfach abzubrechen. Erstes Material sammelte sich an. Der Eindruck, dass über das Thema deutscher Kriegsgefangener in sowjetischer Gefangenschaft geredet werden musste, hatte sich bei mir im Laufe der Monate gefestigt. Unkenntnis darüber herrschte wohl nicht nur bei mir. Ausserdem sollte eine Fortsetzung finden, worum sich einzelne Historiker in Wologda seit Ende der achtziger Jahre bisher ohne Erfolg bemüht hatten: grenzüberschreitend und generationübergreifend über dieses schwierige Thema zu reden. Die Ausstellung, die nun zu sehen ist, basiert ausser auf wissenschaftlichen Ertragen einzelner Historiker aus Wologda auf der umfangreichen Erinnerungsarbeit ehemaliger Gefangener der Lager in und um Wologda. Einzelne Sekundärliteratur zur deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 und zur Problematik der Kriegsgefangenschaft musste zwangsläufig Berücksichtigung finden. Organisatorische und materielle Hilfe bei der Erarbeitung der Ausstellung leisteten das Begegnungszentrum Ost-West und das Buro des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Den Herren, die bereit waren, sich zu einem alles andere als unkomplizierten Kapitel ihres Lebens ausfragen zu lassen, habe ich sehr herzlich zu danken! Ihrer Zugänglichkeit und Aufgeschlossenheit ist es primär zu verdanken, dass eine erste Rekonstruktion zu den deutschen Kriegsgefangenenlagern in Wologda möglich wurde. Mit dem Dank verbindet sich die Hoffnung, dass mit der Ausstellung etwas von ihren Lebenserfahrungen für andere begreifbarer wird, damit sich fürderhin vielleicht manches individuelle Urteilen und Handeln friedvoller, toleranter und menschlicher gestaltet.

Wege in die Gefangenschaft

Das Gebiet Wologda grenzt an das ehemalige Gebiet Leningrad. Es wurde im Jahre 1937 aus 43 Rayons des ehemaligen Nördlichen und des Gebiets Leningrad mit der Stadt Tscherepowez gebildet. 1.581.000 Menschen lebten zu dieser Zeit im Gebiet. 248.000 von diesen wohnten in Städten. Die Stadt Wologda selbst liegt ca. 500 Kilometer in nordöstlicher Richtung von St. Petersburg. Zu Beginn des Krieges dominierten in der Region Forstwirtschaft, holzverarbeitende Industrie und Landwirtschaft.

Die Stadt Wologda, im 13. Jahrhundert gegründet, aber auch zahlreiche andere Städte und Städtchen des Gebietes, - Belosersk, Kirillow etwa oder Tscherepowez, blicken auf eine lange Geschichte zurück, in der der Handel und das Handwerk eine besondere Rolle gespielt haben. An dem weitverzweigten System der nördlichen Flüsse gelegen, hatten die Städte Verbindung zum Weissen Meer, spater auch zur Ostsee. Deutsche und holländische Kaufleute trieben seit dem 16. Jahrhundert regen Handel mit den hiesigen Kaufleuten. Neben dem Warenaustausch überquerten Wissen und Fertigkeiten die Landesgrenzen, bezogen diese für Westeuropaer fernen Gestade in einen allgemeinen europäischen Kontext ein.

Zugleich bestimmte der relativ wenig besiedelte und abgelegene Charakter des Gebietes von Beginn an seine Rolle in der Geschichte. Schon im 16. Jahrhundert nutzte Iwan der Schreckliche die Klöster der Gegend als Versteck für Landesschatz und Krone, wenn kriegerische Auseinandersetzungen drohten. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebiet zum Verbannungsort für politische Oppositionelle. N. A. Berdjajew (1874-1948), russischer Philosoph, in jungen Jahren Teilnehmer der sozialdemokratischen Bewegung Russlands, nach 1917 auf Grund seiner religionsphilosophischen Anschauungen des Landes verwiesen, befand sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wologda in der Verbannung. M.Uljanowa, die Mutter W.I.Lenins war nach Wologda verbannt worden und auch Stalin weilte als politischer Verbannter wiederholt in Wologda. Viele düstere Kapitel der Kulakenbekämpfung, der Repressalien gegen politisch Andersdenkende wie der spontanen Willkür gegen ganze Bevolkerungsgruppen und Nationen unter Stalin prägten dieses Gebiet, wurden doch Ströme von Verbannten gerade in diese Gegenden geleitet und fanden oft hier ihren Tod.

Mit Beginn des Krieges zwischen Deutschland und der Sowjetunion im Juni 1941 wurde das Gebiet Wologda entlang der Grenze zum Gebiet Leningrad zur direkten Front, ansonsten zum unmittelbaren Hinterland. An den Kreuzungspunkten der Eisenbahnverbindungen zwischen Moskau, Leningrad, Archangelsk, Murmansk, dem Ural und Sibirien gelegen, realisierte sich über Wologda etwa ein Drittel der Versorgung der gesamten Front. Gewaltige Ströme von Verwundeten der Karelischen und der Wolchowschen Fronten waren aufzunehmen und zu versorgen. Evakuierte aus Karelien, der Stadt und dem Gebiet Leningrad füllten die Städte und Dörfer. Im Zeitraum von 1941 bis 1943 hatte das Gebiet für mehr als 3 Millionen Menschen die Evakuierung ins Hinterland realisiert. 165.160 von diesen verblieben während des Krieges in Wologda selbst oder anderen Städten des Gebietes.

In unmittelbarer Frontnähe und doch weitgehend im Hinterland gelegen, sollte Wologda bei der Aufnahme und Verteilung deutscher Kriegsgefangener im Verlaufe des Krieges und der ersten Nachkriegsjahre eine entsprechend große Rolle zuteil werden.

1.9.1939 Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen: Beginn des II. Weltkriegs

18.12.1940 Ausarbeitung des Kriegsplans Barbarossa, der einen Blitzkrieg gegen die Sowjetunion vorsah, in dessen Verlauf binnen weniger Wochen die Linie Archangelsk-Wolga-Astrachan erreicht werden sollte

22.6.1941 Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion

Auf Befehl des NKWD der UdSSR (Nationalkomitee für Innere Angelegenheiten) Nr. 001156 vom 5.6.1942 wird in Tscherepowez das Lager Nummer 158 (spater 7158) eingerichtet. Als Verteilerlager für 10.000 Menschen gedacht, durften trotz fehlender genauer Zählung der Gefangenen in der Zeit der Massenankünfte mehr als 100.000 Menschen dieses Lager passiert haben, ehe sie nach Sibirien, in den Ural und andere Regionen des Landes weiter geschickt wurden.

Im Verlaufe seiner Existenz besaß das Larger 158 (7158) sieben Abteilungen in der Stadt Wologda (2), in Ustjuschna, Tschagoda, Baranowo, Bogorodskoje und Scharja. Aufgelöst wurde es auf Befehl des Mdl [Ministerium für Inneres] vom 2. Marz 1948. Dem Lager 158 (7158) in Tscherepowez, dem später sogenannten alten Lager sollten in den nächsten Jahren weitere folgen. 1943 entstand das Lager Nummer 150 (7150). Es befand sich 7 km von der Stadt Grjasowez entfernt am Fluß Nurma. Bereits im Dezember 1939 eingerichtet, hatte es zunächst finnische Gefangene aus dem finnisch-sowjetischen Krieg aufgenommen. Diesen folgten polnische Kriegsgefangene aus der Zeit der Besetzung ostpolnischer Gebiete durch sowjetische Truppen nach dem 1.9.1939. Zwischenzeitlich im Oktober 1941 aufgelöst, wurde das Lager 1943 erneut eingerichtet, um bis August 1948 zu existieren. Bei dem Lager handelte es sich um ein Offizierslager.

Wohl seit 1944 existierte das Lager Nummer 193 (7193). Es befand sich in der Stadt Sokol und besaß 4 Abteilungen in Sokol, in Petschatkino, in Monsa und in Lescha. Ab 1942 (?) existierte das Lager Nummer 437 (7437). Es befand sich in Tscherepowez und hatte 4 Abteilungen in Tscherepowez, Tschagoda, Wologda und Sokol. Das Lager 437 (7437) war ein sogenanntes Offiziers- und Erholungslager.

Schätzungen zufolge, befanden sich zwischen 1942 und 1949 mindestens 60.000 Kriegsgefangene in den Lagern des Gebietes Wologda. Neben den genannten Lagern gab es außerdem die Lagernummer 196. Eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der Gesamtzahl der Lager im Gebiet Wologda besteht noch immer, da Lagernummern sich im Verlaufe der Jahre anderten, Lager zwischenzeitlich aufgelöst oder verlagert wurden. Die Wege der Kriegsgefangenen in die Lager waren dabei so unterschiedlich, wie ihr konkreter militärischer Einsatz und ihr persönliches Erleben im Verlaufe des Krieges.

  • Herbst / Winter 1941 Schlacht um Moskau: Scheitern des geplanten Blitzkrieges gegen die UdSSR.
  • November 1942 / Januar 1943 Schlacht um Stalingrad: 2.2.1943 Kapitulation der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Paulus. (Mehr als 90.000 Wehrmachts angehörige geraten in Kriegsgefangenschaft. Nur 6.000 von diesen werden aus der Gefangenschaftzurückkehren).
  • Juli / August 1943 Schlacht bei Kursk. Januar 1944 Durchbruch der Blockade von Leningrad nach über 900 Tagen Belagerung.
  • 6.6.1944 Eröffnung der 2. Front durch die Alliierten mit der Landung in der Normandie.
  • 16.4.1945 Beginn der Berliner Operation.
  • 7./8.5.1945 bedingungslose Kapitulation Deutschlands.

Zu den ersten Lagerinsassen von 158 (7158) gehörten offenbar Gefangene von Stalingrad. Den ersten Gefangenen der jeweiligen Lager oder Lagerabteilungen oblag es in der Regel, die Lager auf- oder auszubauen. Nicht alle Lager im Gebiet Wologda entstanden neu. Fur manche wurden frühere Strafgefangenenlager oder einzelne historische Gebäude und Gebäudekomplexe genutzt. So entstand das Lager 150 (7150) im ehemaligen Kloster von Grjasowez. Ein Nebenlager von 158 kam in der Kirche von Iwanowskoje unter.

Allmählich bildete sich eine gewisse Unterscheidung zwischen Stammlagern, Offizierslagern und sogenannten Erholungslagern heraus, wobei diese Untergliederung Unterschiede in der Belegung wie im gesamten Lagerleben bewirkte.

Die Größe der Lager und Lagerabteilungen konnte zwischen 6.000 Gefangenen im Lager 437 (7437) und 200 oder 100 in einzelnen Lagerabteilungen differieren. Die Lager füllten sich entsprechend des Kriegsverlaufes und des unmittelbaren Nachkriegsgeschehens schubweise. So hielten sich im Lager 437 (7437) seit Herbst 1944 kriegsgefangene Offiziere von der rumänischen Front auf. Im Oktober 1945 ergänzten dann tausende Offiziere aus dem böhmischen Raum die Lagerbelegung. Ab November 1945 kamen Offiziere hinzu, welche über Sammellager in Frankfurt/ Oder ihren Weg nach Tscherepowez genommen hatten.

Zu Beginn des II. Weltkriegs regelte die Genfer Konvention von 1929 die Behandlung von Kriegsgefangenen. Dieser waren die sogenannten Haager Regelungen [1. Haager Landkriegsordnung von 1899/ 2. Haager Friedenskonferenz von 1907] vorangegangen, die eine menschliche Behandlung von Kriegsgefangenen postuliert hatten. Die Genfer Konvention beauflagte ihre Unterzeichner, Gefangene zu jeder Zeit vor Gewalttätigkeiten, Beleidigungen und öffentlicher Neugier zu schützen, verbat Repressalien gegen Kriegsgefangene, gewährte dem Kriegsgefangenen das Recht, bei Befragung nur bestimmte Angaben zu seiner Person machen zu müssen.

Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA hatten 1929 die Konvention unterzeichnet. Die Sowjetunion hatte die Unterzeichnung abgelehnt. Somit galten zwischen der Sowjetunion und Deutschland bei Ausbruch des II. Weltkrieges die Haager Abkommen von 1907 und die in der Zwischenzeit entstandenen gewohnheitsrechtlichen Regelungen zum Schutz der Kriegsgefangenen. Auf eine Note der sowjetischen Regierung vom 17.7.1941, die Moskau u.a. über die schwedische Vertretung an die deutsche Regierung richtete, und in der sie sich unter der Bedingung der Gegenseitigkeit zur Einhaltung der Haager Abkommen verpflichtete, blieb von der deutschen Regierung unbeantwortet.

Im Laufe des II. Weltkriegs gab es zahllose Verstoße gegen die Normen der Genfer Konvention wie der Haager Abkommen. Zu den gewichtigsten zahlte zweifellos der s.g. Kommissarsbefehl, der politischen Kommissaren der Roten Armee den Status des Kriegsgefangenen verwehrte und deren Totung befahl. Deutschen Wehrmachtsangehörigen, die sich nach dem 8. Mai 1945 den Alliierten ergeben hatten, wurde ihrerseits der Status als Kriegsgefangene verweigert, was unweigerlich ihre Behandlung beeinflusste.

Grobe Verstoße gab es bei der Gewährleistung der Grundgarantien für Kriegsgefangene. So wurden sowjetische Kriegsgefangene in Konzentrationslager verbracht oder unzulässiger Weise für Arbeiten in der Rüstungsindustrie herangezogen. Es gab medizinische Versuche an sowjetischen Kriegsgefangenen. Massenvernichtungsmittel und -methoden wurden außer an Juden, Sinti und Roma zunächst an sowjetischen Kriegsgefangenen getestet.

Von den ca. 3.100.000 deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Gefangenschaft starben ca. 1.100.000. Das Schicksal von ca. 86.000 ist bis heute ungeklärt. Von den ca. 5.700.000 sowjetischen Kriegsgefangenen des II. Weltkrieges in deutscher Gefangenschaft starben ca. 3.300.000.

Quellen: Das Große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. von Christian Zentner und Friedemann Bedürftig. Südwest Verlag GmbH & Co. München 1985; Handbuch des humanitären Volkerrechts in bewaffneten Konflikten. Hrsg. von Dieter Fleck. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung München 1994

Von jenen Männern, welche als sehr junge Menschen in Gefangenschaft gerieten, diese im Gebiet Wologda verbrachten und die entsprechend noch leben und ihre Erinnerungen mitteilen konnten, laßt sich über ihren Weg in die Kriegsgefangenschaft das Folgende berichten.

Herr H.F. geriet im Juli 1944 bei Bobruisk in Gefangenschaft. Er war am 20. Juli 1944 an dem Marsch der deutschen Kriegsgefangenen über den Roten Platz in Moskau beteiligt, zu welchem Tausende von Gefangenen zunächst nach Moskau gebracht worden waren, ehe sich ihr Weg in die einzelnen Lager fortsetzte.

Auch Herr H.G. geriet im Juli 1944 bei Bobruisk in Gefangenschaft, wurde nach Moskau gebracht, um an dem Marsch über den Roten Platz teilzunehmen. Er kam dann zunächst ins Lager 158 (7158) in Tscherepowez, ehe er im Februar 1948 nach Aufenthalt in verschiedenen Lagern des Gebietes entlassen wurde.

Im Ergebnis der großen Sommeroffensive der Sowjetarmee gegen die deutsche Heeresgruppe Mitte, die mit 400.000 Mann im Einsatz war, wurden 28 von 38 Divisionen der deutschen Wehrmacht vollständig vernichtet. 200.000 Angehörige der deutschen Wehrmacht fielen. 85.000 gerieten in Kriegsgefangenschaft. Diesen riesigen militärischen Erfolg nutzte Stalin zu einer gewaltigen ideologischen Aktion. Er ließ einen Marsch von 55.000 Gefangenen der deutschen Wehrmacht durch Moskau organisieren, um der Bevölkerung seiner Hauptstadt die ehemals scheinbar unschlagbare deutsche Armee vorzuführen. Allerdings löste er nach Erinnerungen Beteiligter des Marsches neben Haß oder Verachtung offenbar auch Mitgefühl bei den Zuschauern des Propagandamarschs aus.

Herr R.H. geriet im Februar 1945 in Marienburg in Gefangenschaft. Nach langen Zwischenstationen kam er am 1.6.1945 in Tscherepowez an. "In Tscherepowez waren 2 Lager: eins in der Stadt (7158) und eins am Stadtrand (7437). Wir kamen am Stadtrand ins Lager und mußten Quarantäne machen. Das Lager war in zwei Hälften geteilt. Eine Hälfte Quarantäne und der andere Teil Arbeitslager."

Herr K.B. wurde bei der Schlacht um Berlin im April 1945, bei welcher er 17-jährig als Flakschütze eingesetzt war, verwundet. In Gefangenschaft genommen, führte ihn sein Weg über Küstrin und Poznan mitten in die Wolchowsümpfe, wo er zunächst in einem Lager arbeitete, ehe er, an einer Nierenbeckenentzündung erkrankt, in ein Lazarett in Leningrad eingeliefert und später weiter nach Wologda geschickt wurde, um dann in verschiedenen Lagern dieses Gebietes festgehalten zu werden. Er wurde 1947 entlassen.

Ebenfalls als junger Mann 1945 in den letzten Kämpfen in Ostpreußen verwundet, gelangte Herr F.M. über Greifswald, Neubrandenburg, Rüdersdorf und Frankfurt/ Oder nach Tscherepowez in das Lager 437 (7437), in welchem er sich bis 1949 aufhielt.

Herr H.H. wurde Ende April/ Anfang Mai 1945 in Böhmen gefangen genommen und über die Zwischenstationen Prag, Teplice, Dresden-Seidnitz, Pirna nach Tscherepowez gebracht.

Auch nach Kriegsende füllten Gefangene die Lager im Gebiet Wologda auf. Dies war einerseits durch jene riesigen Entfernungen bedingt, welche von Deutschland bis Wologda zu überbrücken waren und für die oft Wochen gebraucht wurden. Es hatte seine Ursache auch darin, daß noch weit nach der Kapitulation wirkliche und vermeintliche Schuldige am Kriegsgeschehen aufgegriffen und gefangen genommen wurden.

Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands im II. Weltkrieg, auf der die Alliierten bestanden hatten, schuf einen rechtlichen Freiraum, in dem beispielsweise die Verbringung von Kriegsgefangenen auch nach endgültiger Einstellung der Kriegshandlungen möglich war, eine Situation, die an und für sich der Genfer Konvention widersprach.

So erhielt Herr J.W. am 21.9.45 die Aufforderung, sich in seiner Kreisstadt Flöha zu melden. Von dort kehrte er nicht mehr zurück. Über Chemnitz nach Weimar in ein Offiziersgefangenenlager gebracht, kam er mit einem Tag Zwischenhalt in Frankfurt/ Oder am 25.11.1945 im Lager 437 (7437) in Tscherepowez an. Auf Grund seines Gesundheitszustandes in das Stadtlazarett von Tscherepowez eingeliefert, verstarb er am 7. Dezember 1945 im Alter von 53 Jahren ebenda.

Besonders bitter mag es jenen Kriegsgefangenen angekommen sein, welche, bereits aus amerikanischer oder britischer Gefangenschaft entlassen, bei Heimkehr in ihre Heimatstädte im Osten Deutschlands erneut aufgegriffen und nun in sowjetische Kriegsgefangenschaft geschickt wurden. Heinz Schwitzke, ebenfalls Lagerinsasse von 437 7437 beschreibt diese Situation in seinem 1978 im Luther-Verlag Bielefeld erschienen Buch "Evangelium der Gefangenen".

Wissend um die Möglichkeit, ein zweites mal in Gefangenschaft geraten zu konnen, bemühten sich manche Heimkehrer bei Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft darum, nicht in die sowjetische sondern in die westlichen Besatzungszonen entlassen zu werden.

"So gab es Deutsche, die zuerst in amerikanischer Gefangenschaft waren und zur [späteren] DDR entlassen wurden. Da kamen sie in russische Gefangenschaft. Solche Fälle hatten wir bei uns auch. Darum stand für mich fest, falls meine Eltern und Geschwister in der [späteren] DDR gewohnt hatten, hatte ich mich im Westen nach Hamburg entlassen lassen. Mit einem Kameraden aus Hamburg hatte ich schon Kontakt aufgenommen" H.G.

Stellvertretend für die individuellen Erlebnisse aller Betroffenen auf dem Weg in die Kriegsgefangenschaft seien Auszüge aus den Erinnerungen jener ehemaligen Gefangenen angeführt, die in Bobruisk in Gefangenschaft kamen.

"In der Nähe von Bobruisk geriet ich Anfang Juli 1944 mit einem Kameraden in Gefangenschaft und wir wurden von einem älteren russischen Soldaten in ein Sammellager gebracht. Auf dem Wege dorthin mußten wir eine Hauptnachschubstraße benutzen. Auf dieser bewegten sich unentwegt viele Fahrzeuge in Richtung Deutschland, auch Pferdegespanne! Wir zwei gingen möglichst von der Fahrbahn, denn wir bekamen ab und zu die Peitsche zu spüren. Im Sammellager wurden wir verhaltnismäßig gut behandelt, es gab Essen und Trinken. Nach ein paar Tagen wurden wir in Marsch gesetzt und zwar zur Eisenbahnstation Slobin. Wie lange dieser Marsch dauerte, weiss ich nicht mehr, die Posten haben uns ewig angetrieben [...] Am Bahnhof angekommen, inzwischen waren wir ca. 40 Mann, wurden wir in die Waggons getrieben. Schlafen konnten wir auf dem Boden, was sehr problematisch war, weil zum Liegen für alle gleichzeitig kein Platz war. Ich weiß nicht mehr, wie viele Tage wir brauchten, um nach Moskau zu kommen. Ich weiß nur noch, daß wir alle von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl übermannt wurden, als uns eine Russin in einem unbeobachteten Augenblick Brot in den Waggon schob. Nun mußten wir zur Pferderennbahn von Moskau marschieren, wo wir unter freiem Himmel übernachteten. Wir bekamen gute Verpflegung. [...] Am Morgen des 17. Juli 1944 traten wir an und wurden gezählt. In den 5 1/2 Jahren war das Zählen der Gefangenen fast täglich und die Ergebnisse stimmten nie. Also wurden wir in Blöcke zusammengestellt, 20 Mann in einer Reihe, und so marschierten wir über den Roten Platz. [...] Wir waren kahl geschoren und hatten uns etwas um den Kopf binden müssen. Da ich in der Mitte des Blocks marschierte, kann ich nicht sagen, wie die Bevölkerung reagiert hat. Als wir den Roten Platz verlassen hatten, wurden wir zum Jaroslawler Bahnhof gebracht und in Waggons verladen. Nach ein paar Tagen Fahrt kamen wir in Tscherepowez an." H.F.

"Am 30. Juni 1944 kam ich in Bobruisk in Gefangenschaft. Alles junge Menschen in meinem Alter. Zuerst nahmen sie uns die Uhren und andere wertvolle Gegenstände ab. Dann dachte ich, jetzt werde ich erschossen. Doch 100 Meter weiter standen ca. 100 gefangene Kameraden, zu denen ich auch kam, und ab ging der Marsch. Vorne und hinten je ein Posten. [...] Es war ein langer, endloser Marsch, nichts zu essen und zu trinken. Wenn es dunkel wurde, machten wir auf einer Wiese Rast und schliefen unter freiem Himmel. [...] Nach einer Flußüberquerung stand schon ein Güterzug für uns bereit, der uns nach Moskau brachte, wo wir am 13. Juli 1944 ankamen. Auf einem großen Sportplatz schliefen wir unter freiem Himmel. Insgesamt waren wir ca. 70 000 Gefangene. [...] Am 16. Juli 1944 begann der Propagandamarsch durch Moskau. Wir marschierten in Reihen zu je 20 Mann nebeneinander. An jeder fünften Reihe ritt ein Rotarmist mit gezogenem, blanken Degen neben uns her. Am Straßenrand standen Zivilisten, die uns bespuckten und ausschimpften. Doch wurden sie von den Rotarmisten abgeschirmt, damit sie nicht in unsere Reihen eindringen konnten. Wir marschierten 8 Kilometer durch die Stadt zum Güterbahnhof, wo Züge für uns bereitstanden. In einen 18-Tonnenwaggon kamen genau abgezählt je 50 Mann. Die Züge fuhren in verschiedene Städte mit Gefangenenlagern. Ich hatte nun das Glück, zum Arbeitslager 158/1 Tscherepowez zu kommen." H.G.

Ankunft und Alltag im Lager

Die Lager, welche über Monate und Jahre Hunderte oder gar Tausende Männer aufzunehmen hatten, waren entsprechend straff organisiert. Während eine sowjetische Lagerleitung, die Kommandantur, in der Regel vor den Zäunen des Lagers ihr Domizil hatte, gab es innerhalb der Lagerzäune eine zweite, deutsche Lagerleitung, die sich z.T. aus Emigranten, z T. aus älteren Kriegsgefangenen zusammensetzte, welche auf Grund von fachlicher Kompetenz und/oder politischer Anschauung ein gewisses Vertrauen bei der sowjetischen Lagerleitung besaßen. Zu der sowjetischen Kommandantur des Lagers 7437 etwa gehörten ein Kommandant sowie Stabsoffiziere für Arbeitseinsatz, Lagerordnung, ideologische Arbeit und den operativen Dienst. Innerhalb des Lagers 7437 gliederten sich die Gefangenen in Bataillone [400 Mann], wobei ein Bataillon in der Regel einer Barackenbelegung entsprach. Die deutsche Lagerleitung hatte in Unterordnung unter und in Zusammenarbeit mit der Kommandantur den normalen Ablauf des Lagerlebens zu gewährleisten.

Normaler Ablauf, das bedeutete:
"Morgens wecken, wenn möglich etwas waschen, Suppe und Brot abholen, wer zur Arbeit mußte, raus aus der Baracke und dann kam das ewig lange Abzählen, es war schon manchmal schlimm. Dann mit Bewachung zur Arbeitsstelle, dort nur von russischen Aufsehern zur Arbeit angetrieben und von Soldaten bewacht. Wo kein Zaun war, wurde ein Strich gezogen, oder im Schnee eine Linie getreten und die durfte man nicht übertreten. Abends vorm Lager wieder dieses lange Abzählen, danach Essen." H.F.

Kleinere Lager bzw. Lagerabteilungen wiesen eine ähnliche Organisationsstruktur wie 7437 auf, nur war die Leitung weniger umfangreich und, da die Lagerabteilungen z. T. sehr abgelegen waren, wohl in mancher Hinsicht auch weniger straff.

"Im Lager 300 bis 400 Gefangene. Es gab einen deutschen Lagerältesten, einen Dolmetscher, 2 Ärzte, Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Tischler, einen Friseur, Sanitäter und Küchenpersonal. Auch wurde ein Gefangener eingeteilt, der die Arbeitskräfte für die Fabrik zusammenstellte. Für jede Baracke war ein Barackenältester bestimmt, der die Verantwortung über die Baracke hatte." R.H.

Die Tage in der Gefangenschaft ähnelten einander oft bis zur Unkenntlichkeit. Sonntags und an manchen Feiertagen allerdings wurde später nicht gearbeitet. Und mit längerem Bestehen der Lager entwickelte sich auch eine Art Kulturleben. Dieses war begleitet und durchdrungen von Versuchen ideologischer Umerziehung seitens der sowjetischen Lagerleitung wie auch einzelner antifaschistischer Kräfte.

Am 12./13.7.1943 war das Nationalkomitee Freies Deutschland [NKFD] durch Kriegsgefangene (meist Überlebende der 6. Armee aus Stalingrad), Mitglieder der kommunistischen Exilführung (u.a. Ulbricht, Pieck, Florin, Ackermann, Matern) und antifaschistische Schriftsteller (Becher, Bredel, Plivier, G.v.Wangenheim) in einem Kriegsgefangenenlager in Krasnogorsk bei Moskau gegründet worden.

"Durch eine eigene schwarzweißrot umrandete Wochenzeitung "Freies Deutschland" (Chefredakteur R. Herrnstadt), einen gleichnamigen Rundfunksender (Chefredakteur A. Ackermann), Flugblätter und Lautsprecher versuchte das NKFD auf die deutschen Offiziere und Soldaten an der Ostfront einzuwirken. [...] Die Leitlinie der politischen Propaganda wurde nach der Konferenz von Teheran (28.11./1.12.1943) geändert: Vorher zielten die Parolen im Zeichen der alten Farben des kaiserlichen Deutschlands und einer Beschwörung der traditionellen preußisch - russischen Freundschaft auf den Sturz Hitlers, eine Zusammenarbeit mit der deutschen Armeeführung und den geordneten Rückzug der Wehrmacht auf die Reichsgrenzen mit dem Ziel eines ehrenvollen Sonderfriedens, ggf. sogar unter Respektierung der Grenzen von 1937. Seit Anfang 1944 nach einer Verbesserung der Beziehungen zu den Westmächten wandten sich die Aufrufe an das deutsche Volk und seine Soldaten gegen den Faschismus und seine konservativen Helfershelfer und forderten zur "Volkserhebung", zur bedingungslosen Einstellung des aussichtslosen Kampfes und zur Desertation auf. Trotz des Aufrufes der 50 Generale an Volk und Wehrmacht "zur rettenden Tat geben Hitler" (8.12.1944) blieb die Frontsituation nahezu ohne Wirkung. [...] Von Hitler als "Verräter" gebrandmarkt, wurden die Vertreter des NKFD und des BDO auch von den Mitgliedern des innerdeutschen Widerstands sehr kritisch beurteilt. Nachdem führende Kommunisten als Gruppe Ulbricht am 30.4.1945 nach Berlin abgereist waren, um die Nachkriegsordnung in der sowjetischen Besatzungszone mit aufzubauen, wurden NKFD und BDO am 2.11.1945 aufgelöst."

Das große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. von Christian Zentner und Friedemann Bedürftig. Südwest Verlag München. 1985. S.401.

Am 11./12.9.1943 folgte die Gründung des Bundes Deutscher Offiziere [BDO] im Lager Lunjowo bei Moskau als antinational-sozialistische Organisation.

"Sie [die Offiziere] hofften, durch Kooperation mit den Sowjets für die Erhaltung des Deutschen Reiches nach der zu erwartenden Niederlage wirken zu können. Unter Vorsitz des Generals von Seydlitz-Kurzbach, später auch gefordert von Generalfeldmarschall Paulus, rief der BDO in Flugblättern und Radiosendungen die deutschen Soldaten zum Überlaufen und zum Kampf gegen die Hitler-Diktatur auf. Nennenswerten Erfolg aber hatten weder diese Appelle noch die Bemühungen um Einfluß auf die sowjetische Deutschlandpolitik. Nach der Konferenz von Teheran und der Übernahme der anglo-amerikanischen Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation schrumpfte der Handlungsspielraum des BDO zusammen. Von Stalin gegen die Westalliierten ausgespielt, verlor er zudem an Glaubwürdigkeit und wurde nach der Vereinigung mit dem Nationalkomitee "Freies Deutschland" am 2.11.1945 aufgelöst."

Das große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. von Christian Zentner und Friedemann Bedürftig. Südwest Verlag München. 1985 S. 96

Von sowjetischer Seite gehörte die ideologische Umerziehung der Gefangenen zu den erklärten Aufgaben der Kriegsgefangenenlager. Entsprechend wirkte sie auf NKFD und BDO und über diese auf die Kriegsgefangenen ein.

Zielsetzung aller Alliierten im II. Weltkrieg, die in der Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ihren unmittelbarsten Niederschlag gefunden hatte, war die Vernichtung des deutschen Faschismus gewesen. Entnazifizierung der Lehrerschaft und anderer Beamtengruppierungen, Kriegsverbrechertribunale und Enteignungen von Naziverbrechern in Deutschland sind ebenso unter diesem Aspekt zu sehen, wie die Versuche, noch wahrend des laufenden Krieges sowie nach Kriegsende deutsche Soldaten und Offiziere umerziehen zu wollen.
"Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nazismus zu vernichten und die Garantie zu schaffen, daß Deutschland nie wieder in der Lage sein wird, den Weltfrieden zu brechen; [...] alle Kriegsverbrecher einer gerechten und schnellen Bestrafung zuzuführen; [...] die Nazi-Partei, die nazistischen Gesetze, Organisationen und Einrichtungen vom Erdboden zu tilgen; alle nazistischen und militarischen Einflüsse aus öffentlichen Einrichtungen, dem Kultur- und Wirtschaftsleben des deutschen Volkes zu entfernen." Kommunique der Konferenz der alliierten Siegermächte von Jalta Februar 1945

zit. nach: Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949. Hrsg. von Clemens Volinhals. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG München 1991. S.7.

Diese Bemühungen allerdings scheiterten zu allererst an der individuell oft kaum zu ertragenden Situation der Kriegsgefangenschaft, die von vornherein die Gegnerschaft zwischen deutschen Kriegsgefangenen und sowjetischer Gewahrsamsmacht fortschrieb. Das Gros der Gefangenen verblieb zumindest innerlich in Opposition zu jeglicher neuen ideologischen Einflußnahme. Bemühungen ehrlich uberzeugter Antifaschisten waren zum weitgehenden Scheitern verurteilt. Der Freiheit beraubt, konfrontiert mit der eigenen Not des Lagerlebens wie auch, bei Arbeitseinsätzen in Städten und Kolchosen mit der Not der einheimischen Bevölkerung, erschienen Positivurteile geschweige denn Hymnen auf das Sowjetsystem vielen deutschen Kriegsgefangenen mehr als unglaubwürdig. Wohl entstanden in den Lagern des Gebietes Wologda wie auch andernorts unter Mitwirkung von BDO und NKFD antifaschistische Aktive. Der Mehrheit der Gefangenen scheinen sich die Antifaschisten aber als jene dargestellt zu haben, welche fur eine bessere Verpflegung Gesinnung und Heimat verrieten.

So trifft man unter den im Museum in Wologda aufbewahrten Dokumenten deutscher Kriegsgefangener auf zahlreiche positive, herzliche Äußerungen über jene sowjetische Dolmetscherin und Mitarbeiterin des NKWD, die in 7437 die Kulturarbeit leitete. Ähnliches betrifft ihren deutschen Mitstreiter, der das antifaschistische Aktiv führte. Diesen positiven Meinungen stehen aber ganz andere Äußerungen zu den beiden wie zu der Tätigkeit der antifaschistischen Aktivisten im Allgemeinen gegenüber.

"Das Politwesen im Lager wurde (nach Auflösung des NKFD und des BDO) vom deutschen Klub wahrgenommen; er entsprach etwa dem, was man anderswo ANTIFA nannte. Ihm wurde mit Mißtrauen begegnet. […] Jedes Bataillon (auch das Lazarett galt als ein solches) hatte einen Politbetreuer, der die neuesten Nachrichten überbrachte und kommentierte oder auch einmal Vorträge pp. anbot. Die Politbetreuer erschienen uns z.T. zwielichtig und waren vom deutschen Klub eingesetzt." F.M.

"Jede Kriegsgefangenenbaracke hatte einen eigenen Politbetreuer, der täglich oder 2-3 wöchentlich am Abend in der Baracke einen Vortrag hielt. Die Erfolge waren praktisch null, da die Themen fast ausschließlich in der Verherrlichung kommunistischer und sowjetischer Ideen und Errungenschaften bestanden, ohne sachlich vor allem auch über die schrecklichen nationalsozialistischen Jahre in Deutschland und ihre Folgen aufklärend zu wirken. Hierzu bestand ja vor allem bei den jungeren Kriegsgefangenen eine große Informationslücke." H.G.

Offenkundig schwelte in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern bereits jener politische und ideologische Konflikt, welcher 1949 mit der Gründung der BRD und dann der DDR festgeschrieben wurde. Völlig unterschiedliche ideologische Vorstellungen, durchsetzt einerseits von den Nachwirkungen faschistischer Propaganda, andererseits von der oft wenig schlüssigen und überzeugenden sowjetischen Propaganda, prallten hart aufeinander. Dabei machte die Situation der Gefangenschaft eine offene, sachliche Diskussion fast unmöglich. Mancher, der ehrlichen Herzens mit dem Faschismus gebrochen hatte, mußte mit dem Vorwurf des Verrates leben.

"Überzeugt war niemand vom Kommunismus, nur eines Vorteils wegen gingen wenige in die ANTIFA. Die waren aber sofort bei den anderen Kameraden unten durch. D. h. sie konnten von den anderen Deutschen keine Kameradschaft oder Gefälligkeit erwarten. Keinem ANTIFA-Mann glaubte oder vertraute ich." K.B.

Andererseits wurde mancher antifaschistisch Gesinnte als Nazi denunziert, wenn er seine Anti-Hitler-Haltung nicht durch Zugehörigkeit zu ANTIFA, BDO oder NKFD manifestieren wollte.

"Wenn man seiner Devise treu bleiben wollte, Politik konne man nur im Raume geistiger Freiheit machen, mußte man sehenden Auges in Kauf nehmen, daß man von Leuten aus NKFD/ BDO oder Deutschen Klub als "Nazi" bezeichnet wurde." F.M.

Die Situation der Gefangenschaft, in der eine der Anschauungen die von der Gewahrsamsmacht geförderte und befürwortete darstellte, ließ diese ideologischen Auseinandersetzungen mit Sicherheit oft mit erheblichen Auswirkungen für Leib und Leben der Beteiligten eskalieren. Allzu leicht ließen sich hinter ideologischen Urteilen persönliche Antipathien, Opportunismus, profilaktisches Beseitigen von Mitwissern verstecken. Andererseits wurden außerst menschliche Regungen und Verhaltensweisen von sowjetischer Seite ideologisch überinterpretiert oder vereinnahmt. Die Grenze zwischen Überzeugung, Opportunismus, Läuterung und Anpassung war nur schwer auszumachen.

"Die Übertritte erfolgten oft - das muß gerechterweise gesagt werden - unter großen Gewissensqualen [...] Die Zahl der Mitglieder wuchs rapide, als sich nach Kriegsende zeigte, daß keine Funktion im Lager in den Händen von Nichtmitgliedern belassen wurde, selbst nicht die eines Flickschneiders oder Latrinenreinigers, Posten, die alle mit mehr Verpflegung ausgestattet waren. Der Haß zwischen beiden Gruppen wuchs ins Ungeahnte."

Aus: Verrat hinter Stacheldraht? Das Nationalkomitee Freies Deutschland und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion. 1943-1945. Hrsg. von Bodo Scheurig. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1965. S.196

Die wichtigste Zielstellung für das Gros der Kriegsgefangenen war in der Zeit der Gefangenschaft zweifellos das Überleben. Dazu mußte man den Alltag überstehen, sich soweit dies ging durch Essen und Arbeiten bei Kräften halten und "einrichten". Entsprechend bedeutsam waren neben dem konkreten Tagesablauf und dem Überleben in der politisch - ideologischen Landschaft die Architektur der Lager, Essen und Kleidung.

Ein Mensch, der in Gefangenschaft, verschwendet seines Geistes Kraft auf gastronomische Visionen: Er denkt dabei an Speck und Bohnen, an Bratkartoffeln, Schweinerippen, wo früher er an Mädchenlippen, an Nitzsche oder Plato dachte - vielleicht sogar an Bruckners Achte. - So wenden sich die Werte: Der Spieler wird zum Publikum, der Liebestraum zu Hafergrütze, der Panama zur Fliegermütze. Was einstmals draußen, ist jetzt drinnen, wo man mit überwachen Sinnen Parolen aufnimmt und verdaut, sie rastlos immer wiederkaut, Parolen, die meist daher stammen, wo man nun schamlos und zusammen das tut, was einst man scham voll tat, bequemer und streng separat. - Doch sei auch diese Zeit uns teuer als Schule, Durchgang, Abenteuer, und sei's auch nur, um zu erkennen, daß Geist vom Körper nicht zu trennen, und daß es Zeiten gibt, wo man Jago dem Freischütz vorziehn kann. Drum sei auch hier, wie überall, der Weisheit allerletzter Schluß, das gern zu tun, was man tun muß. - Daß dies auf unsrer runden Erde jedoch nicht zur Gewohnheit werde, daß er - und sei's auf allen Vieren, in Balde darf nach Haus marschieren, das hofft, und zwar mit aller Kraft, ein Mensch, der in Gefangenschaft. Tscherepowez Kriegsgefangenenlager 7437 1945-1948

"Bei Dunkelheit bin ich am spaten Totensonntag, 25.11.1945 von der Bahnstation ins Lager gekommen. ... Das Lager 7437 lag auf einer unbewaldeten Höhe und hatte einen rechteckigen, wenn nicht gar quadratischen Grundriß. Die Seiten dieses Vierecks mögen etwa 600 Meter lang gewesen sein. Darinnen standen etwa 18 Unterkunftsbaracken, vielleicht auch 22, von fester Bauart. Außerdem zwei Speisesaal- und Küchenbaracken. Und ferner 4 bis 6 Baracken, in denen sich Werkstätten und dergleichen befanden. Diese Bauwerke waren einigermaßen locker aufgestellt, so daß Sportplatz, Freiflächen und dergleichen dazwischen Platz hatten. [...] danach kämen rund 380 Menschen auf eine Unterkunftsbaracke. [...] Es wurde auf nackten durchlaufenden Pritschen in zwei Etagen geschlafen. Die Zahl mag sich ein wenig ermaßigen, wenn Handwerker in Werkstätten und Kranke in Lazaretten gewohnt haben. Eine Baracke wurde übrigens als Banja und Entlausung genutzt. In einem kleinen Pavillon befand sich eine Friseur-Werkstatt. Entlang der Hauptstraßen verliefen "Bürgersteige" auf Holzwegen. Das muß schon seinen Grund gehabt haben; wahrscheinlich war der Boden der Wege häufiger als in meiner Erinnerung unbegehbar." F.M.

"Mit 50 Kameraden wurden wir nach kurzer Zeit nach Petschatkino gebracht, ein neues Lager! In den Baracken waren Doppelpritschen aus Rundhölzern. Die Sachen, die wir am Leibe trugen waren gleichzeitig nachts zum Zudecken. Die Pritschen waren so schmal, wollte man sich umdrehen, mußte man sich aufbäumen und in die Lücke fallen lassen. Viele Jahre nach meiner Entlassung hatte ich noch diese Angewohnheit" H.F.

Vieles drehte sich in einer Situation, die generell von Hunger und Not bestimmt war, um das Essen. Es gab festgelegte Essensätze. In den Jahren nach dem Krieg, als die größte Not nachließ, versuchte die sowjetische Gewahrsamsmacht insbesondere die Lazaretts der Lager etwas besser mit Lebensmitteln auszustatten, machte Ansätze für eine diätische Versorgung. Die Umstellung der Lager auf Eigenversorgung, die teilweise auch die Nahrungsfrage betraf, erleichterte wohl zumindest manchen Lagerinsassen das Leben.

"Im Juni 1946 wurden den Kriegsgefangenenlagern auf Befehl des Ministerrats der UdSSR Kolchosfelder sowie Staatliche und Waldgebiete zwecks Heugewinnung zur Verfügung gestellt. Zwei Lager in Tscherepowez, eins in Sokol und eins in Grjasowez erhielten 570 Hektar Land. Im Weiteren entschärfte die Einrichtung eigener Wirtschaften bei den Lagern das Lebensmittelproblem. In 6 Monaten des Jahres 1948 wurden in diesen Wirtschaften 175 Kühe und 85 Schafe, 47 Pferde und 125 Schweine gehalten."

W.B. Konasow/W.W. Sudakow. Hinter Stacheldraht. - In: Das Echo des vergangenen Krieges. Aus der Geschichte des Gebietes Wologda. Wologda 1994. S.71

"Hier in Tscherepowez 7437 wollte man die Verpflegungssätze staffeln. [...] Auf dem Papier standen dem Offizieren ab Leutnant bis Oberst bzw. den Mannschaftssoldaten einschließlich Unteroffizier pro Tag zu:

für Offiziere:

  • 600 Gramm Brot
  • 400 Gramm Kartoffeln
  • 40 Gramm Butter
  • 40 Gramm Zucker
  • 150 Gramm Bierhefe
  • 100 Gramm Fisch oder Fleisch

für Soldaten:

  • 400 Gramm Brot
  • 600 Gramm Kartoffeln
  • 20 Gramm Butter
  • 20 Gramm Zucker
  • 100 Gramm Bierhefe
  • 60 Gramm Fisch oder Fleisch.

Die Offiziere wehrten sich und verlangten, daß alle einschließlich Mannschaft den gleichen Verpflegungssatz bekämen. [...] Vom Russen unbemerkt oder aber bemerkt und geduldet erhielten Mann und Offiziere die gleiche Menge." H.H.

"Bei Verpflegung im Lager [158/6 in Wologda] gab es 3 x täglich dünne Krautsuppe und 1/2 Liter Brei (Hirse oder Haferbrei), 600 Gramm klitschiges, nasses Brot, 17 Gramm Zucker und 5 Gramm Tabak. Kurz vor der Entlassung auch mal 10 Gramm Hefe. Bei dem Eisenbahnkommando gab es auch mal Rubel, so daß man im Lager etwas kaufen konnte. (1 Kilogramm Brot kostete 3 Rubel)." H.G.

"Morgens gab es eine Suppe und eine Brotration. Mittags war der größte Teil der Gefangenen zur Arbeit. Wenn sie um 17.00 Uhr von der Arbeit kamen, gab es die Mittagsration in Form einer Suppe mit Brot und abends wieder Suppe. Eine Zeit lang gab es Fischsuppe, dann wieder Weißkohlsuppe, Hirsesuppe (periodisch). Die Essenausgabe wurde barackenweise durchgeführt und der Barackenälteste war beim Empfang verantwortlich. Auch die Brotrationen wurden durch den Barackenältesten in Empfang genommen und verteilt. Die Brotrationen wurden von einem sogenannten Brotschneider vorbereitet, welcher zum Küchenpersonal gehörte." R. H.

"Die zum Kampf um das Überleben gezwungenen Gefangenen unternahmen die abenteuerlichsten Aktionen. So gab es den Fall, daß entweder in Absprache mit der Wache oder auf eigenes Risiko, eine Gruppe Tollkühner den Stacheldraht überquert und nachts in fremden Garten geerntet hatte. Es war Ironie des Schicksals, daß die Gärten, in welchen der Kahlschlag stattfand, ausgerechnet Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft gehörten. Sofort traf bei der Gebietsleitung des Mdl eine wütende Depesche ein. Die Reaktion der Organe, die ihre Ehre zu verteidigen hatte, war ziemlich ungewöhnlich: es wurde empfohlen, die Schuldigen andernorts zu suchen und unterstrichen, daß die Bewachung der Lager bestens gewährleistet sei."

W.B. Konasow/W.W. Sudakow. ebenda. S.71

Wie bei allen Fragen der Organisation des Lagerlebens von sowjetischer Seite hing vieles von der Gewissenhaftigkeit und dem Anstand der Verantwortlichen ab. Manche Probleme, die für die Gefangenen durchaus schwerwiegende Folgen haben konnten, waren rein subjektiv durch Machtmißbrauch, die in der Mangelsituation der Kriegs- und Nachkriegsjahre blühende Korruption, Verantwortungslosigkeit oder Gleichgültigkeit verursacht. Antideutsche Ressentiments spielten mit Sicherheit auch eine Rolle. Manch besonders spürbarer und harter Engpaß in der Versorgung der Gefangenen wäre sicher relativ leicht zu beheben gewesen.

"Schwierigkeiten bei der Versorgung der Lager mit Lebensmitteln, insbesondere mit Gemüse hätte man im Prinzip verhindern können. Der Chef der Versorgungsabteilung der Lager des NKWD [im Gebiet Wologda], Oberstleutnant Kogan warnte davor, daß die ihm zur Verfügung stehenden Autos wegen Schneewehen nicht in der Lage seien, die in den Speichern aufbewahrten, gefrorenen Kartoffeln zu transportieren und daß auf Grund der unzureichenden Ernährung der Gefangenen deren Arbeitsfähigkeit gesunken ist. Jedoch bei der Gebietsleitung fand seine Bitte um Bereitstellung von Pferdeschlitten für die Lager kein Verständnis. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Gebietskomitees Gerasimow führte an, daß die Pferde am Vorabend der Frühjahrssaat der Erholung bedürften."

W.B. Konasow/W.W. Sudakow. ebenda. S.70 f.

"Am Schalter zur Küche standen Bretter, nach einer Seite offen, mit 10 Eßnäpfen aus Oskar-Meyer-Dosen, natürlich gefüllt. Jeder hatte seine Tische zu versorgen, d.h. man stellte die offene Seite auf den Tisch und jeder Kumpel nahm sich der Reihe nach eine Schüssel herunter. Diese Schüsseln faßten einen Liter Suppe. Meistens Fisch mit Brennesseln, selten Kraut mit Kartoffeln. Eine Zeit in Tscherepowez gab es monatelang, dreimal täglich Hafer-Brei oder Hafer-Suppe. Fast jeder der ca. 5.000 Mann hatte Durchfall." K.B

Neben der offiziellen Lagerorganisation durch die sowjetische Seite und der inneren Lagerorganisation durch eine deutsche Lagerleitung funktionierte offenbar eine Art Selbstorganisation der Gefangenen je nach Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessenlage und individueller Situation. Unendlich erfindungsreich wurde improvisiert, um sich den Alltag etwas erträglicher und praktikabler zu gestalten. Die individuellen Strategien des Überlebens waren dabei sehr unterschiedlich.

"Alle hatten wir einen Löffel. Kaum in Sokol, wurden Messer aus Nageln hergestellt, die wir auf die Eisenbahnschienen legten. Die Lokomotive fuhr einmal darüber und der Nagel war platt. Außerdem gab es eine Schmiede in der Nähe, wo fachgerecht aus richtigem Stahl Klingen hergestellt wurden. Der Russe kümmerte sich nicht darum, was ein Gefangener machte. Notfalls bekam er eine Papirossi, dann sah er eben nichts." K.B.

"In Petschatkino und Tscherepowez waren Schuhmachereien, in denen Stecheisen gebraucht wurden. Damit konnte man aber auch ein Stück Holz aushöhlen. In mancher Schreinerei standen auch Drechselbanke, an denen Kameraden aus dem Erzgebirge Holzvasen und Schachfiguren herstellten und Kämme." K.B.

"Diese Gegenstände, außer Messer, wurden nicht heimlich hergestellt. Einer hatte das Geschick dafür, der andere nicht. Dann kostete es einige Portionen Tabak." K.B.

"Im Allgemeinen sah es in den Lagern so aus, hast Du etwas, bekommst Du etwas. [...] also ging der Weg so, ich bin Nichtraucher, gebe den Tabak gegen Suppe oder Brei ab. Manch einer hat so etwas ganz bewußt gemacht, indem er Brot oder Suppe gegen Tabak getauscht hat, denn wenn er abgemagert war, brauchte er nicht zu arbeiten." H.F.

Die Verständigung zwischen der sowjetischen Kommandantur und der deutschen Lagerbesatzung erfolgte in der Regel durch Dolmetscher, die sich sowohl unter den sprachkundigen Lagerinsassen als auch außerhalb des Lagers fanden. Letztere waren durch das NKWD angestellt, riefen entsprechend z.T. Skepsis bei den Lagerinsassen hervor. Erstere, oftmals aus den ehemaligen polnischen und dann deutschen Grenzgebieten zur UdSSR, hatten auch einen sehr unterschiedlichen Leumund im Lager. Vom Geschick, Anstand und der Gewissenhaftigkeit gerade der Dolmetscher hing vieles im Dialog zwischen den Kriegsgefangenen und der sowjetischen Seite ab.
Manche der Gefangenen versuchten, dem möglichen Vermittlungsverlust im Laufe einer Übersetzung zu entgehen, indem sie selbst sich zumindest Grundkenntnisse der russischen Sprache aneigneten. Bei jedem der ehemaligen Gefangenen blieben auf jeden Fall weit über die Zeit der Gefangenschaft hinaus einzelne, besonders wichtige oder besonders oft wiederholte Wörter des alltäglichen Gebrauchs (einschließlich manchem Nichtdruckreifen) haften: Kapusta-Kraut/ Plennyj-Gefangener/ Kartoschka-Kartoffel/ Dawai, dawai-Mach, mach/ Skoro domoj-Bald gehts heim.

Was die Kleidung betraf, so war diese in dem strengen Kontinentalklima des Gebietes Wologda, in dem der Winter sich schon im September ankündigt und erst im Mai endet, sehr wichtig. Temperaturen von minus 40 waren keine Ausnahme. Die Gefahr von Erfrierungen bei Arbeitseinsätzen war groß. Ähnlich wie bei dem Essen gab es wohl im Laufe der Jahre und zwischen den einzelnen Lagern deutliche Unterschiede. Eher positive Erinnerungen stehen neben negativen.

"Im Winter bekamen wir rechtzeitig unsere Wintersachen. Pelzmantel, Filzstiefel, Mützen und Handschuhe." H.G.

"Neben uns marschierte der Posten, angetan mit einem langen Pelzmantel und Pelzmütze und unter der Kleidung die Maschinenpistole. Wir [...] trugen unseren Tuchmantel, unsere Mütze und an den Füßen Schnurschuhe. Handschuhe hatten wir keine. Zwischenzeitlich war die Kälte auf 30 bis 35 Grad abgesunken." H.H.

Kategorie: Neue Bücher und Publikationen | Hinzugefügt von: Anatoli
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