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Horst Redetzky "Offizierslager 7150 Grjasowez"
08.06.2013, 20:35

Treffen der Grjasovetzer in Bad BevensenIm Juni 1998 fand in Bad Bevensen/Norddeutschland ein Treffen ehemaliger Kriegsgefangeser aus dem russischen Kriegsgefangenenlager Grjasowez statt. Ich erfuhr auf diese Weise, daß wir das gute Lagerklima womöglich auch einem Zufall zu verdanken hatten.

Unser Lagerdolmetscher, der baltische Baron Boris von Neidhard - seinerzeit persönlicher Dolmetscher von Generalfeldmarschall Paulus - traf im Lager 7150 einen alten Freund wieder: den russischen Lagerkommandant Oberst Sirma. Beide dienten im I. Weltkrieg im Garderegiment des Zaren. Neidhard war Rittmeister, Sirma sein Wachtmeister. Das Schicksal hatte nun die Rollen vertauscht, aber das Lager profitierte womöglich von dieser ehemaligen Freundschaft.

Als besonderen Gast konnten wir Frau Kapitolina Boiko aus der Stadt Donezk begrüßen. Im Lager nannten wir die russische Komsomolzin "Vitaminchen". Sie war im Lager unser Schutzengel, der sich immer für unsere Belange einsetzte. Und das, obwohl ihre Eltern während der Belagerung Leningads verhungert waren. Sie bedankte sich für die Einladung mit folgenden Worten: "Als junge Komsomolzin sollte ich Euch umerziehen. Ich versuchte es mit Menschlichkeit. Druschba! Der Herr behüte euch!"

Inzwischen haben einige Kameraden das Lager besucht. Es sind fast nur noch Ruinen vorhanden. Aber ein ehemaliger russischer Major soll den kleinen Friedhof umzäunt haben, und eine russische Lehrerin aus dem Nachbarort pflegt mit ihrer Klasse die Gräber. DANKE!

Horst Redetzky

 

Auszug von Seite 77/78

 

Offizierslager 7150 Grjasowez. Verlag: Frieling-BerlinMein erstes Kommando machte mich zum Straßenbauer; irgendwo im Bezirk Wologda. Es war eine gottverlassene Gegend, die zur Zarenzeit zu den Verbannungsgebieten gehörte. Jetzt sollte hier eine "Magistrale" - eine Hauptstraße - entstehen, die laut Plan einmal Moskau mit dem "Weißen Meer" verbinden würde.

Diese Straße wurde mir zum Schicksal und Alptraum. Mit kurzen Unterbrechungen wegen Unterernährung oder der Zugehörigkeit zu anderen Kommandos, fand ich mich in den folgenden drei Jahren immer wieder an einem - wenn auch weit voneinander entfernten - Bauabschnitt dieser Trasse wieder. Sie hat mich gelehrt, wie man in Rußland mit der Norm umgeht, was Planwirtschaft bedeutet und was in diesem System der Mensch Wert ist. Glücklicherweise waren wir keine Russen. Wir konnten als Kriegsgefangene wenigstens auf eine Erlösung durch die Heimkehr hoffen. Sie nicht! -

In Deutschland war die Fraternisierung mit den Kriegsgefangenen streng verboten. Ähnliche Gesetze gab es wohl auch hier, aber in den abgelegenen und fast nur von verwitweten Frauen und Kindern bevölkerten Dörfern kümmerte sich niemand darum. Man begegnete einander unbefangen, kam sich nicht näher als nötig und war sich darin einig, daß der Krieg etwas Abscheuliches sei. Wir wurden keineswegs gehaßt, im Gegenteil: Man wünschte sich unsere Wiederkehr in jedem Frühling oder unsere Heimkehr nach Deutschland. Dafür gab es handfeste Gründe. Wir verscherbelten oder verschenkten vor Eintritt der Winterpause unsere Spaten, Schaufeln und Äxte. Außerdem hatte man unsere amerikanische Kakaobutter, den trockenen Zucker und das Weißmehl schätzen gelernt und hoffte, diese begehrten Dinge nach unserer Entlassung auf direktem Wege von der Regierung zu erhalten. Welch ein Trugschluß! -

 

Auszug von Seite 89

 

Kapitolina Boiko, Vitaminchen, und Horst RedetzkyVor dem Schneeräumen ausserhalb des Lagers bewahrte mich meist meine Schuhgrösse 45 / 46. Die nur für diese Arbeit vorhandenen Filzstiefel waren mir oft zu klein oder sie reichten nicht aus. Wenn der Barackenälteste mich trotzdem auf Holzlatschen zum Lagertor schickte, wurde ich spätestens dort vom "Vitaminchen", der aufsichtsführenden Schwester, zurückgeschickt.

Vitaminchen war ein Wonneproppen. Klein von Wuchs, rotwangig und überall prall und rund, mit einer ungeahnten Wespentaille. In ihrem knappen und steifen Soldatenmantel, den Pumphosen über den Filzstiefeln, glich sie einem Tanzpüppchen, das sich mit seinen seitlich abgestreckten Armen ständig um die eigene Achse drehte. Immer war sie freundlich, gerecht und unbestechlich. Den räsonierenden russischen Offizieren bot sie die Stirn, wenn sie uns regelwidrig, ohne entsprechendes Schuhzeug, der eisigen Kälte aussetzen wollten. Ich glaube, wir haben sie deshalb alle gemocht und sogar verehrt.

 

Lebenslauf von Horst Redetzky

 

Horst Redetzky, 1921 im nordostpreußischen Naußeden - am Rußstrom - geboren, begann nach der Primareife an der "Oberschule für Jungen - Tilsit" im April 1940 mit einer Forstlehre. Sie fand jedoch schon im Oktober mit der Einberufung zum Wehrdienst ein jähes Ende. Im Sommer 1944 wird Leutnant Redetzky im Kessel von Witebsk gefangengenommen. Nach einer Odyssee durch mehrere Durchgangslager und dem berühmten Kriegsgefangenenmarsch durch Moskau wird er in das Offizierslager 7150 Grjasowez verbracht. Schon bald merkt der Deutsche, welches Glück er hat: mit seiner menschenwürdigen Atmosphäre und passablen Verpflegung bildet Grjasowez eine Ausnahme unter den sowjetischen Lagern. Dennoch ist die Lagerzeit kein Pappenstiel. - Was er erlebte und wie er überlebte, schildert er in seinem Buch "Offizierslager 7150 Grjasowez". Informativ, kritisch, ohne aber in Bitterkeit zu verfallen, schreibt ein Betroffener ein kleines Stück persönliche Geschichte.

Von 1944 bis 1949 war Horst Redetzky in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 1954 beendete er ein Pädagogikstudium in Oldenburg und war dann bis zu seiner Pensionierung als Lehrer und Schulleiter tätig.

Kategorie: Erinnerungen von Kriegsgefangenen | Hinzugefügt von: Anatoli
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