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Harald Föhr-Waldeck: Gedichte über russische Kriegsgefangenschaft (1945-1949)
04.06.2013, 13:49

Meinen lieben Freunden und hilfreichen Kameraden aus Russischer Gefangenschaft (1945 - 1949) - Bruno Torz, Christian Vasterlingt und Herbert Funke (letzterer verschollen) - herzlichst zugeeignet, zugleich im stillen Gedenken all' derer, die diese Zeit nicht überlebt haben.


Nationalsozialismus

Sibirien

Der Transport

Geschichte einer Uhr

Der Fischzug

Die Ess-schüssel

Lager in Sokol (Papierfabrik)

Nachsatz zu meinen Erinnerungen an die Russische Kriegsgefangenschaft

1945 - Vor sechzig Jahren - 2005


Nationalsozialismus

Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939
Als damals 14-jähriger hab' ich es in Berlin miterlebt!

Was heisst Nationalsozialismus?
Er gaukelt den Menschen etwas vor.
Überheblichkeit schafft nur Verdruss
ihr leiht ihm besser nicht euer Ohr!
Er will das Selbstbewusstsein heben
und schürt dabei so den Rassenhass.
D'rauf bedacht, nach Herrschaft zu streben
schürt er das Feuer ohn' Unterlass!
Bis hin zum Krieg riskiert man alles
um andere zu unterwerfen.
Rüstet auf, um im Fall des Falles
den Eroberungsblick zu schärfen.
Durch Krieg werden Völker unterjocht
und Minderheiten hingeschlachtet.
Auf "Recht und Ordnung" wird stets gepocht
jeder Widersacher entmachtet.
Wie eine Furie pflanzt er sich fort
jedwede Menschlichkeit missachtend.
Schreckt nicht zurück vor dem Massenmord
schamlos nach der Weltherrschaft trachtend.
Doch: wer den Wind sät, der erntet Sturm
lässt sich die ganze Welt besiegen?
Er wurde zertreten wie ein Wurm
auch dies' System kam zum Erliegen!
Schon die Römer sagten: "Vae victis!"
Vae victis - wehe dem Besiegten!
Was auch dieses System hinterliess
war ein entwürdigender Striptease!
Was machthungrig blutig einst begann
das ging in Blut und Tränen unter.
Was Menschengeist sich auch hier ersann
hinterliess nur noch Mörtel-Klunter.
Wie viele Systeme es schon gab
kein einziges konnt' überdauern.
Alle schaufelten sich selbst das Grab
und zerfielen, wie morsche Mauern.
(Eingedenk' all der stummen Zeugen)



Sibirien

/1976/

Geplagter Geist, geschund'ne Seele - hungriger Magen, trock'ne Kehle,
Kälte, Schnee und Eis zum Erbarmen - so leben die Ärmsten der Armen!
In Sibirien mein' ich, in Russland - vom Hörensagen allen bekannt.
Vier Jahre musst' auch ich's ertragen - niemand konnte mir damals sagen,
ob ich das alles überstehe - die Heimat jemals mal wiedersehe?
In Sibirien, bei Kälte und Schnee - als Gefang'ner, gequält vom Heimweh ...
Zudem auch noch hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat.
Gequält vom Hunger und mehr vom Durst - nur Wassersuppe, nicht Fleisch, nicht Wurst.
Kein Obst, Gemüse, nur etwas Brot - so litten wir alle grösste Not!
Nur wenig Wasser, kaum zu trinken - in's Elend konnte man versinken.
Und stets geplagt von Wanzen, Läusen - des nacht's gestört von Ratten, Mäusen.
Des Tages Mühen, kaum zu tragen - schwere Arbeit, knurrender Magen.
Beim Holz stapeln, oder Strassenbau - nahm man es mit der "Norm" sehr genau!
Und während man schier zusammenbrach - dachte man über das "Leben" nach.
Das alles kann wohl nur ermessen - wer hinter Stacheldraht gesessen?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen.
Wie viele trugen wir zu Grabe - nackt, wie Gott sie schuf, ohne Habe.
Schauten in ihr erstarrtes Gesicht - schauten sie an und kannten sie nicht ...
Verscharrten so das tote Gebein - fragten uns: wer wird der nächste sein?
Die Kälte machte vor uns nicht halt - im Winter wurde es grimmig kalt!
Fünfzig Grad mussten wir ertragen - da gab es dann nichtsmehr zu sagen ...
Zwar steckten wir in Wattesachen - für König Winter - nur zum lachen!
Die Kälte kroch uns durch Mark und Bein - wer glaubte damals noch Mensch zu sein?
Oft mussten wir sehr weit marschieren - letzte Kräfte mobilisieren,
um Holz zu holen, das uns fehlte - da uns auch nachts die Kälte quälte.
Holzpritschen dienten uns als Lager - viel Platz gab's nicht - wir waren mager ...
Das alles kann wohl nur ermessen - wer hinter Stacheldraht gesessen?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen.
Und Tag und Nacht wurden wir bewacht - von den Russen oft hämisch verlacht!
Stets angetrieben: Dawai-dawai! - Dabei waren sie selber nicht frei.
Verstossene im eigenen Land - von weit her nach Sibirien verbannt.
Vielleicht sind sie auch heute noch dort? - Brächt' Euch gern' hin, ich kenne den Ort!
Auch bekamen wir nichts zu lesen - dann ist der Mensch ein armes Wesen
nicht wissen, was in der Welt passiert - manch einer dabei den Mut verliert ...
Alle zwei Wochen einmal waschen - etwas Wasser und Seife haschen.
Die Sachen mal entlausen lassen - welch ein Gefühl, nicht zu erfassen!
Das kann wohl alles nur ermessen - wer hinter Stacheldraht gesessen?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen. -
Vom Eisenbahn-Instandsetzungs-Werk - mache ich nur den einen Vermerk:
hier musste man seinen Mann stehen - wollte man nicht zugrunde gehen.
Die Eisenteile waren zu schwer - eines Tages konnte ich nicht mehr.
Brach unter einer Last zusammen - schien nicht von Goliath abzustammen?
Es brauchte viel Energie und Kraft - doch hab' ich mich wieder aufgerafft ...
Manche Freunde waren behilflich - liessen mich als Freunde nicht im Stich!
Ich wäre heut' nichtmehr am Leben - hätt' es sie für mich nicht gegeben!
Ein paarmal wurde ich auch sehr krank - die Lebenschance auf "Null" absank. -
Im Lazarett war es noch krasser - für vierzig Mann: 1 Eimer Wasser! -
Ich hatte Gelbsucht, dann auch Typhus - in's Sterbezimmer, bald ist wohl Schluss?
Drei Wochen hatte ich hoch Fieber - zu sterben war mir manchmal lieber,
als da zu liegen, in der Fremde - bekleidet nur mit einem Hemde. -
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen ...
Ein Kamerad gab mir zu trinken - liess mich nicht ganz hinübersinken.
Fünf andere starben neben mir - ohne den Freund wär' ich jetzt nicht hier.
Später beschaffte einer Essen - die Taten sind mir unvergessen! -
Ein dritter bürstete meine Haut - hat den Kreislauf wieder aufgebaut.
Verstand es, mich geistig zu lenken - an Bibelsprüche mal zu denken, -
So halfen sie mir auf die Beine - kam so mit mir wieder in's Reine. -
Auf vieles leisteten wir Verzicht - in den Baracken gab's auch kein Licht, -
Gab es vielleicht mal Hühnerknochen - in der Suppe, mit zum verkochen,
musste man sie gerecht verteilen - und sich beim anstehen beeilen. -
Oft hat man sich darum geschlagen - auch das schafft ein hungriger Magen ...
Das alles kann wohl nur ermessen - wer hinter Stacheldraht gesessen?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen.
Über das damalige Treiben - liesse sich noch sehr vieles schreiben ...
Werde die Zeit niemals vergessen - hab' hinter Stacheldraht gesessen,
bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - noch heut' gibt's die Aermsten der Armen ...
In Sibirien mein' ich, in Russland - vom Hörensagen allen bekannt?
Dies' Freunde, wollt' ich Euch berichten - wie könnt' auf Freundschaft ich verzichten? -
Freunde erhielten mich am Leben - will versuchen, danach zu streben. -



Der Transport

/1977/

Als wir im ersten Lager waren - konnten wir noch nicht viel erfahren.
Doch fragten wir uns von Anbeginn - was haben die Russen wohl im Sinn?
Wurden sie uns wohl bald entlassen? - Hängt man uns vielleicht in den Strassen?
So verging die erste bange Zeit - wir hielten uns für alles bereit! -
Dann hiess es: wir kamen nach Stettin - drei Tage dau're die Fahrt dorthin ...
den Hafen wieder aufzubauen - konnten wir diesen Worten trauen? -
Wie lange würde es wohl dauern? - Wird nicht der Tod dort auf uns lauern? -
Dann, eines Tages war es so weit - wir machten uns für die Fahrt, bereit.
Doch gab es keinen Zug zum sitzen - im Viehwagen mussten wir schwitzen.
Man hat seinen Augen kaum getraut - Holzpritschen hatte man eingebaut.
Fünfundvierzig Mann wurden gezählt - so haben wir uns hineingequält. -
Wir lagen wie die Ölsardinen - es raubte uns fast alle Sinnen ...
Man nahm uns zudem alle Sachen - nun hatten wir nichtsmehr zu lachen! -
Die Türen wurden dann verriegelt - unser Schicksal schien so besiegelt.
Stunden der Qual, nicht zu vergessen - das kann heut' niemand mehr ermessen. -
Dann gab's einen Ruck, der Zug fuhr los - wir gaben unser'm Herz einen Stoss. -
Nur nicht verzweifeln, nicht aufgeben - fest an Gott glauben, an das Leben! -
Stunden vergingen, dann auch Tage - nach drei Tagen die bange Frage:
sind wir nicht bald da? - wo landen wir? - Man kam sich schon bald vor, wie ein Tier.
Nichts rechtes zu essen, zu trinken - die Eimer fingen an zu stinken ...
Man rätselte: wohin geht die Fahrt? - Schon über drei Tage seit dem Start? -
Was müssen wir denn noch auskosten? - Dann merkten wir, es ging nach Osten. -
Wir waren in der Russen Klauen - vorbei war es mit dem Vertrauen!! -
Denn statt drei Tage ging es Wochen - der Braten wurde bald gerochen.
Ein Gedanke ging durch Mark und Bein - sollte das Ziel wohl Sibirien sein???
Bald wurde es uns zur Gewissheit - in Polen wurden die Spuren breit ...
Wir wurden schleunigst umgeladen - wie Vieh, zu anderen Gestaden. -
Hatten wir einst zu siegen geglaubt - nun wurden wir der Freiheit beraubt. -
"Sieg oder Sibirien" hiess es mal - nun blieb uns keine andere Wahl. -
Eine Vorahnung stieg in uns auf - und so nahm das Schicksal seinen Lauf.
Wir hatten Durst, nicht auszuhalten - allmählich jammernde Gestalten. -
Wie doch der Durst Wesen verändert - stechende Augen, schwarz umrändert.
Man glaubt, aus ihnen sprüht nur noch Hass - was täte man nicht für etwas Nass? -
Wo ist das bischen "Mensch" geblieben? - Wer nur noch Durst hat, kann nicht lieben! -
Eingepfercht mit den Kameraden - zu höchst ungastlichen Gestaden! -
Alles hatte man uns genommen - die Stimmung war äusserst beklommen. -
Erst wurde kaum ein Wort gesprochen - jeder hat sich in sich verkrochen..
Vor Hitze verging einem der Schnauf - einmal am Tag ging die Tür nur auf!
Um den Notdurft-Kübel zu leeren - um die Suppe nicht zu entbehren. -
Man holte sie vom Küchenwagen - Wassersuppe füllte den Magen ...
So gewöhnten wir uns an die Not - täglich bekamen wir etwas Brot. -
Es war getrocknet, quoll im Magen - der Durst danach, kaum zu ertragen!
Einmal konnten wir Wasser holen - glaubten erst, man will uns verkohlen?
Doch, man führte uns zu einem See - was für ein Wasser - herrjehmineh ...
Wir füllten es in uns're Eimer - hier finde sich ein and'rer Reimer -
Euch besser noch als ich zu sagen - was es bewirkte in den Magen. -
Doch vielleicht genügt ein Wörtchen nur - viele von uns bekamen die "Ruhr"! -
So hat das Sterben angefangen - nun mussten wir um's Leben bangen! -
Auch in unser'm Wagon starb einer - seine Adresse wusste keiner ...
Stunden vergingen, Tage, Wochen - ein jeder hat sich still verkrochen.
Dazu das ewige Geknatter - eintöniges Rädergeratter ...
Wieviel bange Fragen tauchten auf - was nimmt es wohl für einen Verlauf?
Wie wird es uns nun wohl ergehen? - Wird man die Heimat wiedersehen?
Den Krieg hatten wir überstanden - würden wir in Sibirien landen? -
Die Frage blieb nicht lange offen - wir hatten bald nichtsmehr zu hoffen! -
Denn schon sahen wir den ersten Schnee - und bald nichts weiter als - Ebene ...
Unendliche russische Weiten - Eintönigkeit sollt' uns begleiten. -
Bis hin zu unser'm Bestimmungsort - die Zivilisation war weit fort! -
Ein' Eimer hatten wir für's Essen - die Nordurft wurde nicht vergessen -
Ein Eimer fur fünfundvierzig Mann - nachts kam man nur mit Mühe daran.
Von dem Gestank wo11'n wir nicht reden - es gab da auch noch and're Fehden. -
Schliesslich musste ja jeder einmal - jede Verrichtung wurde zur Qual.
So rotierte es die ganze Nacht - doch eines nachts, da hat es gekracht.
Ein Kamerad stiess mal dagegen - bald konnte er sich nichtmehr regen ...
Man hatte ihn halb totgeschlagen - das alles war kaum zu ertragen! -
Noch eh' die Reise zuende ging - bekamen wir einen Salzhering ...
Vor Hunger hat man ihn verschlungen - dann hat man mit dem Durst gerungen! -
Das Leben hing an einem Faden - bald wurden wir dann ausgeladen. -
Man sah den Schnee - man wollte trinken - viele sah ich herniedersinken -
sie fingen an, den Schnee zu essen - hatten die Umwelt ganz vergessen.
Sie hielten Schnee in ihren Händen - wollten so die Durstqual beenden.
Viele mussten es teuer zahlen - starben bald an anderen Qualen ...
Auch hierbei genügt ein Wörtchen nur - auch sie bekamen dadurch die Ruhr. -
Sie starben dahin, wie die Fliegen - blieben im Schnee für immer liegen ...
Die Zeit verging, wir waren am Ziel - vom Leben hielten wir nichtmehr viel. -
Doch dies' war ja nur der erste Teil - bei dem ich nun nicht länger verweil'. -
Wir stiegen aus, kamen in's Lager - die Zukunftschancen waren mager ...
Mit diesen vier Wochen fing es an - vier Jahre hingen sich dann daran.
Vier Wochen lang nicht einmal waschen - so liessen wir uns überraschen.
Fragten nicht danach, was vor uns lag - der Hunger wurd' grösser Tag für Tag ...
Wir konnten erstmal kaum noch laufen - doch liess man uns nicht erst verschnaufen.
Zum Lager mussten wir marschieren - hatten nichtmehr viel zu verlieren.
Bärtig, erschöpft und schrecklich mager - erreichten wir alsbald das Lager. -
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat ...
Wir schauten uns Stumm in's Angesicht - manch einer verbarg die Tranen nicht ...
Wehr- und rechtlos, in des Feindes Hand - unendlich weit weg vom Vaterland!
Anfang Oktober kamen wir an - das Gefangenenleben begann ...
Wir hatten nicht viel auszupacken - verkrochen uns in die Baracken. -
Russische Kommandos dann und wann - der Wind kündigte die Kälte an. -
Schnee verstopfte der Bretter Ritzen - in der Baracke - nichts zum sitzen ...
Nun unser'm Schicksal ganz ergeben - hungernd und frierend, ohne leben.
In Sibirien mein' ich, in Russland - vom Hörensagen allen bekannt -
So lagen wir da, zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen! -

Nachsatz: Wenn all' dies' der Wahrheit nicht entspricht - dann stellt mich getrost vor ein Gericht -
Ich bürg' dafür mit meinem Leben - mehr habe ich nicht zu vergeben! -



Geschichte einer Uhr (Ritschany, 9. Mai 1945)

/1977/

Hergestellt wurde sie in der Schweiz - sie hatte einen besond'ren Reiz.
Sie zog sich nämlich von selber auf - ein Pendelwerk gab ihr steten Lauf. -
Man musste nur den Arm bewegen - um sie stets wieder anzuregen! -
Das machte sie so interessant - auch sonst mich vieles mit ihr verband.
Ich fürchtete, sie zu verlieren - sollte bald mein Leben riskieren. -
Als wir bei Kriegsende erfuhren - die Russen seien scharf auf Uhren -
liessen wir sie erstmal verschwinden - ein Versteck liess sich ja leicht finden? -
Steckte sie erstmal in die Tasche - damit kein Russe sie erhasche. -
Wie naiv war man doch, zu glauben - sie würden sie uns so nicht rauben?
Denn kaum hielten sie uns gefangen - ist auch das "Filzen" angegangen.
Wir wurden gleich gründlich untersucht - manch einer hat vor sich hingeflucht.
Ich hielt mich etwas weiter zurück - vielleicht hatte ich etwas mehr Glück?
Meistens untersuchten sie den Rumpf - ich steckte sie daher in den Strumpf.
Brachte sie so in's erste Lager - doch kamen immer neue Frager. -
"Uri-Uri" hiess es immerzu - sie liessen uns nun nichtmehr in Ruh'. -
Garnichts mehr wollten sie uns lassen - manch einer begann sie zu hassen. -
Sie drohten gar, uns zu erschiessen - wenn wir ihnen nichts überliessen ...
Wer es nicht glaubte, wurde bald starr - manch einer machte die Drohung wahr! -
Viele warfen ihre Sachen fort - vernichteten sie an einem Ort. -
Weiss nicht recht, warum, doch blieb ich stur - ich versteifte mich auf meine Uhr. -
Wollte den Russen nicht nachgeben - riskierte dabei gar mein Leben.
Wo aber sollt' ich sie verstecken - dass die Russen sie nicht entdecken?
Wir lagen unter freiem Himmel - es war ein furchtbares Gewimmel! -
Für's erste hatten wir ausgespielt - die Sieger gebärdeten sich wild!
Die Tschechen gehörten auch dazu - sie liessen uns noch weniger Ruh'.
Was wurde nicht alles ausstudiert - mit Fusstritten wurden wir traktiert. -
Stets mussten wir die Taschen leeren - "erdulden, nur nicht aufbegehren!" -
Um meine Uhr nicht zu verlieren - musst' ich stets neues ausstudieren.
Bald tat ich sie in Zeitungspapier - so hatt' ich sie immer neben mir.
Bei mir war nun nichtsmehr zu finden - doch musste ich mich überwinden -
sie nun nicht selber fortzugeben - ging es doch nun um's Überleben!
Vier Tage herrschte Plünderfreiheit - sie nahmen sich alles, weit und breit. -
Viel' Frauen wurden vergewaltigt - so wurden auch sie gedemütigt! -
Schreckliches Los, wenn man unterliegt - wenn man gefangen ist und besiegt!
Wenn man das Ende mit anseh'n muss - das bittere Ende, bis zum Schluss!
Es waren grauenvolle Tage - völlig aussichtslos uns're Lage ...
Innerlich lehnte man sich noch auf - hilflos liess man den Dingen den Lauf ...
Zwar war das Plündern dann verboten - doch alle taten es nach Noten. -
Nachdem sich der erste Sturm gelegt - haben sich Hunger und Durst geregt. -
Die Vorräte waren aufgebraucht - das Leben - gottlob - nicht ausgehaucht! -
Anstatt an meiner Uhr zu lauschen - könnt' ich sie gegen Essen tauschen?
Doch, je länger ich sie durchbrachte - oft still im Innern drüber lachte.
Es war für mich ein kleiner Triumpf - machte das Leben nicht gar so stumpf. -
Mehr und mehr wurde ein Spiel daraus - neue Einfälle blieben nicht aus.
Was im Lager sonst so vor sich ging - war alles andere, als gering!
Was vor allem die Tschechen trieben - ist mir unvergessen geblieben!
Sie führten hier das Kommando an - brachten stets alle auf "Vordermann." -
Sie durften wild mit uns verkehren - wir konnten uns ja nichtmehr wehren ...
Ein paar Jungen knöpften sie sich vor - und schrieen Kommandos in ihr Ohr.
Auf tschechisch, was sie nicht verstanden - wir sahen Kolbenhiebe landen.
Sie wurden zu Tode geschunden - oft blütend, nichteinmal verbunden!
Sie mussten die "Latrinen" bauen - "Donnerbalken" zusammenhauen!
Und wurden wir auch langsam mager - füllten doch Tausende das Lager.
Täglich mussten sie Wasser holen - im Laufschritt wurde es befohlen!
Und machte dann dabei einer schlapp - so versank er namenlos im - Grab.
Durch Genickschuss brachte man sie um - alle Zeugen blieben damals stumm ...
Was waren das doch für Vergehen? - Man zwang uns, es mit anzusehen!
Was wurde nicht alles verbrochen - wir blieben hier circa zwei Wochen.
Litten nun mehr und mehr grosse Not - bekamen endlich ein Stückchen Brot.
Nicht grösser, als ein Stückchen Torte - vor Glück fanden wir keine Worte.
Die meisten verschlangen es sofort - es hiess: wir kämen von hier nun fort.
Nach Prag, dort würden wir entlassen - es war beileibe nicht zu fassen?
Ich benutzte daher das Stück Brot - als Versteck für die Uhr, es tat not!
Im Teig hab' ich sie eingebettet - und so aus dem Lager gerettet. -
Der Marsch war dann eine Höllenqual - die Sonne schien heiss, es war fatal!
Fünf Kilometer streng zu laufen - fünf Minuten dann zum Verschnaufen.
Wer liegen blieb, wurde erschossen - die Mörder nannten sich: "Genossen."
Dreissig Kilometer bis nach Prag - es wurde für uns ein langer Tag! -
Ich kaute an dem Wachs von Kerzen - um den Durst besser zu verschmerzen. -
In Prag begann der "Spiessrutenlauf" - man gab bald jegliche Hoffnung auf, -
dass wir nun bald entlassen würden - kamen doch immer neue Hürden? -
In Prag gab es bald ein Gedränge - die Tschechen schossen in die Menge.
Grosse Verwirrung und viel Geschrei - manch einen fuhren sie auch zu Brei ...
Sie quälten uns nach Strich und Noten - sich hinzulegen war verboten.
Tat's einer, wurd' auf ihn geschossen - wieviel Blut ist so noch geflossen!?
Endlich kamen wir in ein Quartier - es war in einem Kohlerevier. -
So krochen wir auf Kohlehaufen - egal, nur endlich mal verschnaufen.
Auf Kohlestaub zwar nicht versessen - schliefen wir ein, ohne zu essen.
Eine Gewissheit hatte ich nur - in dem Stückchen Brot tickte die Uhr!
Am Morgen weckten uns die Wachen - wir sahen aus, man wollte lachen.
Es schmerzten uns nicht nur die Glieder - als "Mohren" sahen wir uns wieder.
Dann kamen wir in's Sportstadion - dachten hier kommen wir nicht davon. -
Denn plötzlich wurden wir beschossen - auch hier ist wieder Blut geflossen.
Es dauerte ein paar Minuten - ich war nicht tot, konnte mich sputen.
Ein wehrloses Wild, das man hetzte - ringsum viel Tote und Verletzte.
Wir halfen ihnen, so gut es ging - für viele war die Chance gering. -
Bald erfuhren wir dann auch den Grund - ein Kamerad, nichtmehr ganz gesund -
warf plötzlich eine Handgranate - ganz gleich, wohin sie auch gerate.
Der Wache halt' er sie entrissen - und dann ganz einfach fortgeschmissen.
Zu sehr war er der "Verzweiflung nah' - ihm war ganz egal, was auch geschah" -
Auch er war tot, wurde getroffen - doch wir durften nun wieder hoffen.
Nun holte ich das Stück Brot hervor - legte es bei Nacht kurz an mein Ohr -
ein leises ticken war zu hören - dann liess ich mich nicht länger stören -
nahm die Uhr aus dem Versteck heraus - ass das Stückchen Brot, es war ein Schmaus.
Und wieder war es wie zu Beginn - fragte mich: wo tue ich sie hin? -
Während ich mir vieles ausmahle - fand ich vor mir 'ne Schusterahle.
"Einnähen" - das war eine Idee - ein Stückchen Schnur fand ich in der - Näh'.
Die Mütze schien mir der beste Ort - in kürzester Zeit verschwand sie dort!
Dachte bei mir: nur nicht erschlaffen - beruhigt legte ich mich schlafen. -
Einige Zeit blieben wir am Ort - dann hiess es: wir kämen wieder fort.
Nach Deutschland in's Entlassungslager - die Auskünfte waren sehr mager. -
Man wollte uns doch hier entlassen? - Falsche Parolen, nicht zu fassen. -
Hoffnung nähren, dann wieder rauben - wer sollte hier noch etwas glauben?
Tatsächlich setzten wir uns in Marsch - uns're Bewacher waren sehr barsch!
Quälten uns mühsam auf den Strassen - die Kräfte hatten nachgelassen.
Die Tschechen hatten wir genossen - nun wurde niemand mehr erschossen.
Die Russen schienen uns nun human - erst nach drei Tagen kamen wir an.
Verpflegung holten sie bei Bauern - wer sollte hier wohl wen bedauern
In Teplitz-Schönau schien alles aus - diese Strapazen, es war ein Grau.
Ermattet blieben viele liegen - würde man uns doch unterkriegen? -
Als die Bevölkerung das erfuhr - arbeiteten sie rund um die Uhr! -
Brachten uns Tag und Nacht zu essen - und auch sonst wurde nichts vergessen. -
Ob Stecknadel, Verbandsmaterial - alles linderte unsere Qual. -
Immerwieder reihten wir uns ein - irgendetwas würde es schon sein?
Irgendwas würde es schon geben - so erhielten sie uns am Leben! -
Es war ein stetes Kommen und Geh'n - die Russen liessen es stumm gescheh'n. ...
Nach Pirna bei Dresden kamen wir - die Uhr hatte ich immer bei mir.
Parolen stärkten uns're Fassung - wir warteten auf die Entlassung!
Circa vier Monate nur: warten - dann endlich hiess es wieder: starten!
Doch kamen wir noch nicht nachhause - man kam sich vor, wie ein Banause?
Wieder hiess es: wir kämen hier fort - Stettin sei unser Entlassungsort? -
Wo wir landeten, gab ich bekannt - in Sibirien nämlich, in Russland -
- bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - kamen zu den Ärmsten der Armen!
Glaubte die Uhr an sicherem Ort - doch untersucht wurden wir auch dort.
Und zwar am Tag mindestens zweimal - die Nervenanspannung war fatal.
Am Tor wurden wir abgetastet - das hat uns anfangs sehr belastet! -
Bald achteten wir nichtmehr darauf - und nahmen es gelassen in Kauf.
Dann kam der Winter herangerauscht - die Sommersachen wurden getauscht.
Ich stand vor einem neuen Problem - die Lösung war nun nichtmehr genehm. -
Wollte die Uhr doch nicht verlieren - musste was neues ausstudieren.
Eine zweite Mütze musste her - sie zu bekommen war nicht so schwer. -
Gegen Tabak war es zu machen - so hatt' ich wieder Grund, zu lachen!
Konnte die Mütze jeweils tauschen - dem "Tick-tack" meiner Uhr nachts lauschen.
Die Mütze trug ich nun auf dem Bauch - es wurde mir zum gewohnten Brauch!
Zwar wusste ich nie, wie spät es sei - doch die Uhr hatt' ich immer dabei!
So bracht' ich sie durch alle Lager - vielleicht nachhaus', das war' ein Schlager.
Doch dann ist doch noch was geschehen - wie immer: unvorhergesehen. -
Wir kamen im Sommer zum heuen - hier konnte uns niemand betreuen. -(48)
Mit Kähnen kamen wir auf Inseln - hörten nichtmal die Füchse winseln.
Bauten uns Hütten, aus frischem Gras - wurden meist bis auf die Knochen nass ...
Wir mussten den ganzen Tag mähen - konnten dabei viel Frösche sehen.
Sie weckten meine Aufmerksamkeit - Froschschenkel gab es hier weit und breit!
Willkomm'ne Zutat für die Suppe - einer fing sie stets für die Gruppe.
Von Insel zu Insel ging es fort - kamen stets an einen neuen Ort. -
Das Lager war in Weronina - erzähle nun, was plötzlich geschah. -
Als wir mal wieder wechseln sollten - schwere Gewitterwolken grollten.
Die Sachen haben wir schnell verstaut - den Kähnen wurden sie anvertraut.
Wir selber gehörten auch dazu - hoffentlich blieben die Schleusen zu? -
Doch kaum hatten wir abgestossen - ist es auf uns herabgeflossen ...
Die Boote waren überladen - natürlich kamen wir zu Schaden. -
Schaukelten ein paarmal hin und her - dann hielten uns die Kähne nichtmehr. -
Sie sackten ab und alles schwamm weg - da sah ich meine Mütze - oh Schreck!?
Ich griff nach ihr und schwamm dann zurück - hatte ich wohl auch diesmal noch Glück?
Dann: im stärksten Gewitterregen - begann ich, meine Uhr zu pflegen.
Holte sie aus dem Versteck heraus - alles war durchnässt, es war ein Graus!
Die Kameraden blieben stehen - hatten lang keine Uhr gesehen. -
Das Erstaunen war ungemein gross - doch mir versetzte es einen Stoss.
Ich fragte mich: wird sie noch gehen? - Nach ein paar Tagen blieb sie - stehen ...
Es war leider nicht zu vermeiden - doch wollt' ich mich nicht von ihr scheiden.
Setzte das Ticken auch plötzlich aus - brachte ich sie dennoch mit nach Haus!
Vielleicht brachte sie mir damals Glück? - Heut' ist es ein Erinnerungsstück!
Halte sie nach wie vor in Ehren - Russen sie nun nichtmehr begehren.
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die "Zeit" keine Bedeutung hat?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - dort leben die Ärmsten der Armen! -



Der Fischzug

/1977/

Nachdem der Typhus überstanden - konnt' ich im Lager wieder landen.
Wieder raus aus der Isolation - so sprang ich dem Tod nochmal davon!
Zwar war ich nur noch Haut und Knochen - kaum einer hat mich angesprochen. -
So wurde man völlig teilnahmslos - fürchtete sich vor dem kleinsten Stoss.
Den Typhus hatt' ich überwunden - von harter Arbeit noch entbunden -
hielt ich mich mühsam auf den Beinen - ein Häufchen Elend nur - zum weinen ...
Wie sehr war ich doch dem Tode nah - das Leben nun wieder vor mir sah.
Ein Leben zwar hinter Stacheldraht - was hielt es wohl noch für mich parat?
So wurde ich wieder eingereiht - und draussen war alles tief verschneit.
Sibirische Kälte noch dazu - für sie gab es nirgends ein Tabou!
Sie machte uns stets sehr zu schaffen - wieviel würde sie noch hinraffen?
Auch dieser Winter war grimmig kalt - ich war entkräftet, fühlte mich alt ...
Viele erfroren sich die Glieder - legten sich so zum sterben nieder.
Nicht nur zum "Sterben", zum "Verrecken" - auf den Holzpritschen, ohne Decken. -
Geplagt von Wanzen, Flöhen, Läusen - angefressen auch bald von Mäusen.
Steifgefroren nun alle Glieder - sahen die Heimat niemals wieder ...
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - so starben die Ärmsten der Armen! -
Waschen konnten wir uns nur im Schnee - auch hatten wir keine Zahnbürste. -
Die Haare wurden stets geschoren - jegliche Würde ging verloren! -
Bisweilen besorgten dies' Frauen - konnten uns aufs Geschlechtsteil schauen. -
Denn auch die Schamhaare mussten weg - sonst kümmerten sie uns einen Dreck! -
Und standen wir auch nackt vor ihnen - gingen wir gern wieder von hinnen -
Empfindungen hatten wir keine - uns interessierten nichtmal Beine! -
Nur wer Fieber hatte - galt als krank - wenn er auch sonst im Elend versank. -
Blieben die "Arschbacken" stets schön rund - galt man bei den Russen als gesund! -
Hingen sie aber schlaff herunter - galt man als nichtmehr ganz so "munter".
Konnte die Arbeit reduzieren - vielleicht das Leben auch verlieren? -
Dann hiess es nur: Kamerad kaput ... warum? - Die Behandlung war doch gut? -
Wir haben ihn doch nicht umgebracht? - Manch' Russe stand da und hat gelacht'! -
In Sibirien hinter Stachledraht, - wo die Freiheit keine Maschen hat ...
Wurde ihr Tod nicht sogleich bemerkt - dann haben wir uns für sie gestärkt. -
Wir haben sie weiter mitgezählt - Hunger hat sie nun nichtmehr gequält.
Manche Portion wir noch empfingen - wir, die wir noch am Leben hingen.
So lagen wir in jenen Tagen - oft neben toten Kameraden ...
Dies Elend kann wohl nur ermessen - wer neben Sterbenden gesessen -
bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen,
Eisiger Wind verwehte den Schnee - die Bilder ich heut' noch vor mir seh'.
Man konnte draussen kaum noch was seh'n - wir mussten nichtmal zur Arbeit geh'n.
So blieben wir in den Baracken - und hatten Zeit, Läuse zu knacken! -
Doch plötzlich wurden wir aufgeschreckt - ein paar Russen kamen ganz erregt. -
Sie suchten ein paar Freiwillige - für ein Kommando, draussen im Schnee.
Wer spielte hier schon gern' den Helden - sollte man sich wohl dazu melden?
Mein guter Freund Bruno kam zu mir - und sagte: komm' mit, ich helfe Dir!
Du musst wieder zu Kräften kommen - ich habe da so was vernommen -
vielleicht wirft das Kommando was ab? - Das Essen hier ist doch viel zu knapp!
So meldete ich mich freiwillig - und hoffte auf ein gutes Geschick! -
Wir kamen auf einen Lastwagen - die Kälte mussten wir ertragen ...
Fünfzig Grad unter Null, oder mehr - man richtete auf uns ein Gewehr!
Nach langer Zeit kamen wir an's Ziel - zu sehen gab es auch hier nicht viel.
Man brachte uns zu einem Schuppen - hier standen viel Russen in Gruppen.
Er war nach allen Seiten offen - auf Schutz vor Kälte nicht zu hoffen.
Dann hiess es wieder: dawai-dawai - arbeitet ihr gut, ist's schnell vorbei! -
Wir sahen zu den Kisten rüber - dann gingen uns die Augen über -
Wohin wir sahen, lauter Fische - zwar hartgefrorene, doch Fische! -
Das musste uns ja Mut einflössen - wir sahen sie in allen Grössen! -
Für uns gab es nun vieles zu tun - doch liessen uns die Fische nicht ruh'n.
Wir konnten sie mit Händen fassen - und mussten sie doch liegen lassen.
Dem Ziel so nahe und doch so fern - hofften wir auf einen guten Stern.
Hier gab es kein Privateigentum - es erforderte schon sehr viel Mumm -
sich hier an Sachen zu vergreifen - man musste es sich schwer verkneifen. -
Wehe, wir wurden dabei ertappt - schnell hat dann die Falle zugeklappt.
Auch für die Russen war es riskant - Staatseigentümer im ganzen Land ...
Sie durften auch nichts weitergeben - was für ein Land, was für ein Leben?
Und doch, bald wurde uns geheissen - wir sollten uns am Riemen reissen.
"Dawai-dawai", macht schnell reinen Tisch - dann bekommt ihr alle einen Fisch! -
Wie oft wurde uns was versprochen - wie oft das Wort wieder gebrochen.
Durften wir dies'mal dem Russen trau'n? - Würden wir nicht wieder auf Sand bau'n?
Doch, auch den Russen war es zu kalt - sie wollten nachhause, möglichst bald.
So gab er dem Dolmetscher sein Wort - und dann war er plötzlich wieder fort!
Was sollten wir schon anderes tun? - es war viel zu kalt, um auszuruh'n.
Hammer und Nägel lagen bereit - so machten wir uns an die Arbeit. -
Mit Handschuh'n war es nicht zu machen - es war beileibe nicht zum lachen! -
Die Nägel klebten an den Fingern - wir mühten uns mit diesen Dingern.
Die Kälte brachte uns zum rasen - wir achteten auf uns're Nasen ...
So lösten wir uns fortwährend ab - die Kälte hielt uns dabei im Trapp.
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat. -
Bald ging es dann auf die Mittagszeit - die Russen machten sich schon bereit. -
Das war der günstige Augenblick - schaute nach vorn, seitwärts und zurück -
dann schnappte ich den nächst-besten Fisch - und schob ihn in die Hose, ganz frisch!
Doch schon begann er, mich zu necken - in der Kniekehle blieb er stecken ...
Hauptsache: man konnte ihn nicht seh'n - behinderte er mich auch beim geh'n.
Aufs Wort der Russen wollt' ich nicht bau'n - doch langsam fing er an aufzutau'n ---
Dann kam die nächste Überraschuhg - auch die brachte uns nochmal in Schwung. -
Die Russen hatten Fisch, gebraten - an einem Ofen, auf dem Spaten. -
Wir trauten erst unser'n Augen kaum - und hielten es erst für einen Traum.
Denn jeder von uns bekam ein Stück - was hatten wir doch heute für Glück? -
Am Ort verzehren, das war erlaubt - doch wehe, es wurde was geraubt.
Auf "Diebstahl" standen hohe Strafen - diesmal mussten wir nicht nur gaffen!
Wie schnell war alle Qual vergessen - hatte man nur etwas zu essen. -
Bei Kälte, Schnee, Eis, zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen. -
Dann hiess es wieder: "dawai-dawai" - die Mittagspause war schnell vorbei. -
Eisiger Wind pfiff um die Ohren - doch gaben wir uns nicht verloren.
Es liess sich nun besser ertragen - hatten wir doch etwas im Magen. -
Eiskristalle stachen in's Gesicht - wir taten weiterhin uns're Pflicht.
Legten die Fische in die Kisten - ob die Russen einen vermissten? -
Wogen sie und stapelten sie auf - alles mögliche nahm man in Kauf -
um nebenher was zu erhaschen - füllte es auch nicht alle Taschen ...
So vergingen weitere Stunden - kamen langsam über die Runden. -
Mein Fisch in der Hose war schon warm - die Russen schlugen keinen Alarm. -
Keiner von ihnen hat es geseh'n - ich konnte dafür nicht mehr gut geh'n.
So mühte ich mich mit letzter Kraft - die Arbeit hatten wir bald geschafft.
Die Russen gingen schon langsam fort - bald waren wir noch alleine dort. -
Die Dunkelheit brach auch schon herein - die Kälte ging uns durch Mark und Bein!
Da kam der "Natschalnik", rief uns an - und gab uns dann jedem, Mann für Mann -
zu unser'm Erstaunen einen Fisch - woraufhin er sich vondannen schlich.
Wir wussten erst nicht, wie uns geschah - vor Freude standen uns Tränen nah'.
Das war, weiss Gott, der grösste Schlager - doch: wie kommen wir so in's Lager? -
Jedesmal wurden wir untersucht - der Erfolg war erst nur halb verbucht?
Wir mussten eine Lösung finden - erstmal liessen wir sie verschwinden.
Unter der Jacke hatten sie Platz - wir hüteten sie wie einen Schatz!
Bis zum Lastwagen war's nicht mehr weit - ringsherum war alles tief verschneit ...
Der Schnee knirschte unter den Schuhen - wir waren müde, wollten ruhen.
Da plötzlich blieb unser Chauffeur steh'n - er hatte eine Wache geseh'n.
Wir glaubten, die Welt muss untergehen - wir blieben wie angewurzelt steh'n. -
Da verlor der Chauffeur seinen Fisch - machte uns durch alles einen Strich.
Die Wache kam, hielt uns alle auf - und schon nahm das Schicksal seinen Lauf.
Ein paar Kilometer weit von hier - war das nächste Polizeirevier. -
Dort fanden wir uns alle wieder - hungrig, steifgefroren die Glieder.
Bei Kälte, Schnee, Eis, zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen! -
Die Fische wurden wir hier nun los - doch einen hatt' ich noch in der Hos' ...
Der war nun weich, nicht zu vergessen - wir hatten Hunger, wollten essen.
So tauschte ich ihn kurzerhand aus - roher Fisch diente uns dann zum Schmaus.
Doch als die Russen es bemerkten - wütend sahen, dass wir uns stärkten -
riss man die Fische uns aus der Hand - eine Gräte im Ofen verschwand.
Ein Russe war darauf versessen - geröstet hat er sie gegessen ...
Auch ihn schien der Hunger zu quälen - konnte sich nichts besseres wählen. -
Etwas, was uns mit ihnen verband - sie hungerten im eigenen Land! -
Die Russen haben viel gesprochen - wir haben uns ganz still verkrochen.
Den Chauffeur liessen sie nichtmehar frei - vom Lager kam ein neuer herbei.
Erst nach Mittermacht konnten wir geh'n - im Lager gab es ein Wiederseh'n.
Dem Dolmetscher verdankten wir viel - trieb mit den Russen gewagtes Spiel.
Er war, wie man so sagt, ein "Knüller" - ich weiss noch, er hiess Bösemüller. -
Den einen Fisch hatt' ich gerettet - er war am Bein gut eingebettet.
Wir gaben ihn an der Kuche ab - im Eimer Wasser machte es: schwapp!
Ihn mussten wir nicht roh geniessen - konnten mit ihm den Tag beschliessen.
So war doch nicht alles für die Katz' - krochen wieder an unseren Platz.
Und fühlten wir uns auch wie Grafen - die Läuse liessen uns nicht schlafen ...
Der eisige Wind pfiff stets sein Lied - wir lagen wieder in Reih' und Glied. -
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat -
bei Kälte, Schnee, Eis, zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen! -



Die Ess-schüssel

/1977/

Ein paar Jahre waren schon vorbei - bekamen hin und wieder auch Brei.
Es war stets ein Festtag für alle - eine Stärkung in jedem Falle! -
Viel wurde mit Essen onaniert - ja, ganze Rezepte ausstudiert. -
Man wollte aus Wenig, mehr machen - tragisch, doch im Grunde zum lachen.
Was hat man nicht alles erdichtet - Schachbretter wurden hergerichtet.
Dann, stückchenweise das Brot darauf - auf das ein- oder and're was d'rauf.
Ein paar Reste noch von dem Essen - mancher tat es ganz Selbstvergessen ...
Ein paar Felder liessen sie oft leer - sie auszulassen fiel ihnen schwer.
Assen sie nämlich ihre "Jause" - hiess das soviel wie: mach' mal Pause.
So streckten sie das Essen hinaus - nahmen immer einen Zettel raus -
hatten Nummern darauf geschrieben - es oft auf die Spitze getrieben.
Stabsoffiziere brachten es weit - sie hatten nämlich am meisten Zeit.
Mussten nicht mit zur Arbeit gehen - konnten dem "Spiel" nicht widerstehen.
Statt auf die Suppe nur zu warten - verfielen sie auf solch' Abarten.
Mitunter gab es "Pleny-Torte" - das war eine besond're Sorte. -
Gemeinsam sparte man etwas auf - freute sich wie ein Schneekönig d'rauf.
In einem Beutel an einem Brett - ein bischen Brot, Zucker, etwas Fett.
Jeder Anlass war uns Grund genug - wenn nur das Herz wieder höher schlug!
Zu Geburtstagen, am Hochzeitstag - gab es diesen besonderen "Schlag" ...
Mit etwas Wasser dann geknetet - als "Plenytorte" angebetet! -
Jeder kam so mal in den Genuss - das brachte uns mal wieder in Schuss!
Oft wurden wir auch aus Schaden klug - denn: Ratten gab es bei uns genug ...
Auch sie waren darauf versessen - haben den Beutel angefressen! -
Doch es gab auch andere Diebe - erwischte man sie, gab es Hiebe. -
Mancher wär' besser nicht geboren - einer hat sein Auge verloren ...
Hier will ich wieder unterbrechen - von den Schüsseln wollt' ich ja sprechen.
Ein Essraum wurde eingerichtet - so wurden wir dazu verpflichtet -
uns von den Pritschen zu bequemen - um dort das Essen einzunehmen. -
Die Schüssel, die wir dort bekamen - war nicht graviert, trug keinen Namen.
Sie mitzunehmen war verboten - man schaute uns sehr auf die Pfoten!
Zwei Wachen standen stets an der Tür - gewiss bekam man etwas dafür?
Doch: ohne russisch, schwer zu machen ? - Was denkt man doch nicht oft für Sachen? -
Doch: eh' ich's gedacht, - hatt' ich's getan - denn ich nahm mich einer Schussel an.
Setzte mich in die hinterste Reih' - wartete ab und dann: eins-zwei-drei -
verschwand eine Schüssel auf dem Schoss - und von da, unbemerkt in die Hos' ...
Doch der schwierigste Teil stand bevor - "wie komm' ich mit ihr noch durch das Tor."
Dort wurde jeder abgetastet - d'rum hab' ich es nicht überhastet. -
Gut, dass wir Wattesachen hatten - sie kamen mir hierbei zustatten! -
Die flache Schüssel trug nicht sehr auf - ging zur Tür und: hob die Arme auf.
"Lässig, nur nichts anmerken lassen" - denn: sie liessen nicht mit sich spassen.
Ich kam vorbei und: atmete auf - nahm weitere Risiken in Kauf! -
Noch hatt' ich sie nicht aus dem Lager - und dann? - die Aussicht war sehr mager.
Wem sollte ich sie offerieren? - Bei wem konnt' ich es wohl probieren?
Wo wir damals zur Arbeit gingen - musste es ganz einfach gelingen! -
An einer Stelle musst' ich's wagen - "vielleicht geht es mir an den Kragen?"
Viel Schnee mussten wir damals räumen - stets gegen die Kälte aufbäumen! -
Geholfen hat es zwar nie sehr viel - immer war es ein ungleiches Spiel!
Kaum hatten wir etwas freigelegt - wurde es gleich wieder zugeweht!
Notwendiges, sinnloses Schaffen - "wann würden die Kräfte erschlaffen?"
Das Los der Gefangenschaft war schwer - sibirische Kälte nahm uns her!
Wir wussten, warum wir hier waren - doch konnten wir and'res erfahren, -
von Russen, die mit uns hier weilten - das Los der Gefangenschaft teilten ...
Schreckliches hat man oft erfahren - viele lebten hier schon seit Jahren! -
Meistens aus politischer Gründen - doch: was waren das schon für Sünden?
Meist ausgemergelte Gestalten - was ist von dem System zu halten? -
Mit ihnen tauschten wir oft Sachen - vielleicht war hier etwas zu machen?
In manchem ging es ihnen besser - assen hier mit Gabel und Messer. -
In einem ausrangierten Wagen - füllten sie täglich ihren Magen. -
Durch's Fenster konnten wir sie sehen - wir mussten in der Kälte stehen. -
Ein alter Mann bediente sie hier - je mehr ich zusah, gefiel er mir.
Die Schüssel hab' ich erstmal versteckt - hier im Schnee wurde sie nicht entdeckt.
Die Ausbeute war nicht g'rad mager - bald hatte Ich ein kleines Lager!
Dann, eines Tag's war ich vermessen - schaute den Russen zu beim essen.
Als sie dann den Wagon verliessen - sah ich den Mann die Türe schliessen.
In diesem Moment trat ich nach vorn' - und nahm mir den alten Mann aufs Korn.
Er machte auf und - liess mich hinein - als könnte es gar nicht anders sein?
Alles musste nun möglichst schnell geh'n - ich liess ihn sogleich die Schüssel seh'n.
Er liess sie sich genauer zeigen - "Nada" (nötig), "willst Du?", sie sei Dein eigen.
Und schon kam das erlösende Wort - "skolko", wieviel, so fuhr er nun fort? -
Ich sagte: "Kleb" und zeigte aufs Brot - "ladna", will sehen, es war kein Spott!
Er ging und holte ein grosses Stück - mein Herz zersprang fast vor soviel Glück!
Schon hielt ich es in meinen Händen - nun musst' ich mich schnell von ihm wenden!
Am liebsten wollt' ich ihn umarmen - endlich hatte einer Erbarmen! -
In Sibirien, hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat -
bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - half einer der Ärmsten mir Armen ...
Wir trafen uns fast alle Tage - und jedesmal die gleiche Frage: -
"nada"? - "skolko"? - "ladna" und so fort - ich machte mir daraus einen Sport.
Zusätzlich, täglich, ein Stückchen Brot - das linderte damals meine Not.
Ich ass es auf der Arbeitsstelle - vorsichtig sein, auf alle Fälle!
Immer mehr Schüsseln sind verschwunden - die Russen wollten es erkunden. -
Kontrollen wurden auf uns gehetzt - und auch die Strafe heraufgesetzt
Es glückte mir nun nichtmehr täglich - der Nervenkrieg: fast unerträglich! -
Mitunter mussten wir noch warten - geschlossen dann zur Arbeit starten.
Die Schüssel zu haben, war riskant - versteckte sie an dem Pritschenrand. -
Setzten wir uns dann alle in Trapp - holte ich sie dort schnell wieder ab.
Doch, ewig ging es so sicher nicht - "der Krug geht zu Wasser, bis er bricht ..."
Dann, eines Tages war es so weit - ich machte mich g'rad zum geh'n bereit -
da stand plötzlich jemand hinter mir - ich ahnte, dass ich dies'mal verlier'.
Bekam auf die Schulter einen Schlag - ich dachte, dies' sei der jüngste Tag!?
Wie versteinert blieb ich erstmal steh'n - "würd' ich die Heimat wohl wiederseh'n?"
Dann drehte ich mich ganz langsam um - was ich dann sah, gab mir wieder Mumm.
Mein guter Freund Bruno stand vor mir - und sprach: sei froh, bin ich diesmal hier.
Lass' es dir ja eine Warnung sein - und steck' nie mehr eine Schüssel ein! -
Ich liess es mir nicht zweimal sagen - sonst ginge es mir an den Kragen? -
Ich habe es ihm fest versprochen - mein Wort dann auch nicht mehr gebrochen! -
Kurz darauf kam ich aus dem Lager - ohne Schüssel, wie immer mager ...
Doch, den Erfolg konnt' ich verbuchen - nun durften sie mich untersuchen. -
Sie taten es auch, wie stets der Brauch - und tasteten auch auf meinen Bauch.
Ich liess es unbekümmert geschehen - dann hat mich einer streng angeseh'n. -
Sah mich an und sprach so vor sich hin: - "es geht mir einfach nicht aus dem Sinn -
so und so viele Schüsseln sind weg" - es kümmere ihn zwar einen Dreck -
doch irgendwo müssten sie ja sein? - Da umgab mich ein Heiligenschein. -
Zuckte die Achseln und - schlich mich fort - Sokol hiess sodann der neue Ort.
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat -
bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - stets unter den Ärmsten der Armen! -



Lager in Sokol (Papierfabrik)

/1977/

Wiedermal wurden wir verschoben - stets wollte man uns neu erproben -
wielang die Kräfte wohl noch reichen - hoffte man doch, dass wir erbleichen. -
So kam ich in's Lager nach Sokol - es war alles andere als "toll" ...
Es gab gewiss nichts zu gewinnen - wir arbeiteten an Maschinen! -
Versorgten eine Papierfabrik - die Arbeit brach vielen das Genick! -
Es war nur eine Frage der Zeit - früher oder später war's soweit. -
Man sprach von 20 000 Toten - es zu erwähnen war verboten! -
So stellte man sich halt darauf ein - bald aucn einer von ihnen zu sein.
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat...
Die Arbeit war denn auch mehr als hart - gleich die erste Nacht ging es zum Start.
In Tag- und Nachtschichten gab's zu tun - man hatte nicht mehr Zeit auszuruh'n. -
Wahrlich, schlimmer als die Sklaverei - der Tod, als Begleiter, stets dabei! -
An's Maschinentempo gebunden - wurden wir mehr als sonst geschunden.
Zu essen gab's nicht mehr, als gewohnt - von den Mücken blieb man nicht verschont! -
Unnötig, dass ich es sagen muss - wir arbeiteten an einem Fluss. -
Wir mussten Stämme an's Ufer zieh'n - manch einer fiel zu den Fischen hin ...
Dann auf's Förderband, auf die Loren - man wünschte, man wär' nie geboren. -
Manch einer wünschte sich ganz offen - er würde von dem Stamm getroffen -
lieber als Krüppel in die Heimat - wenn nur die Qual hier ein Ende hat.
Manch einer wurde schwer getroffen - durfte er auf die Heimfahrt hoffen.
Viele spekulierten daneben - es sollte keine Heimfahrt geben ...
So opferten sie nicht nur Knochen - auch innerlich sind sie zerbrochen!
Lebende Mahnung für uns alle - auch dies' erwies sich nur als Falle!
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat ...
An den Maschinen standen Russen - sie arbeiteten gern' nach Mussen.
Gefangene im eigenen Land - etwas, was uns mit ihnen verband. -
Konnt' man den Aufseher mal nicht seh'n - liessen sie schnell die Maschinen steh'n.
So wurden Falschmeldungen gemacht - die Wirtschaft um einiges gebracht!
Wir lernten es sehr bald von ihnen - mussten nicht alles abverdienen.
In den Baracken hatten wir Licht - arbeiteten wir doch in der Schicht.
Die Errungenschaft war hier fatal - die Mücken wurden auch hier zur Qaul!
So kam man nicht einmal zum schlafen - wollte uns Gott zusätzlich strafen? -
Gesicht und Hände dick geschwollen - die Augenlider ganz verquollen! -
Oft liessen wir ein Feuer schwelen - doch sollte uns auch dies' bald quälen. -
Es trieb uns jedesmal ins Freie - man hörte Flüche und Geschreie. -
Welches Übermass an Quälerei - der Tod war immer auch mit dabei ...
Oft fragte man sich, wer's besser hat - die Art zu leben hatte man satt.
Man konnte nur noch vegetieren - viel hatte man nicht zu verlieren! -
Und doch: ich war noch jung, wollt' leben - d'rum, nur die Hoffnung nicht aufgeben! -
In dieser Erde auf ewig ruh'n? - Den Russen diesen Gefallen tun?
Ein Gedanke, nicht zu ertragen - weiter aushalten, nicht verzagen! -
So wehrte man sich mit aller Kraft - und: hat es wieder ein Stück geschafft! -
Man machte sich immer wieder Mut - vor den Russen blieb man auf der Hut. -
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat -
bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen!
Hier gab es eine Stolewaja - als Essensraum für die Russen da. -
Hätte man Mut zu übertreiben - die Gerüche ... nicht zu beschreiben!
Die Russen essen auch gerne Fisch - was blieb da nicht alles auf dem Tisch?
Von allem mannigfache Reste - und war es auch nicht g'rad das Beste -
zog es uns unwiederstehlich an - erhoffte man sich was dann und wann.
Wozu der Hunger uns damals trieb - es war nicht viel, was da übrig blieb!
Denn auch die Russen wurden nicht satt - gönnten uns vom Kohl auch nicht ein Blatt.
Doch stellten wir uns stets wieder auf - nahmen Erniedrigungen in Kauf.
Um etwas Brot noch zu erhaschen - vom Tisch noch etwas wegzunaschen ...
Oft wurden wir dabei vertrieben - Aufwartefrauen - nicht zum lieben!
Meist dick, unförmig und männlich grob - ernteten auch sie kein grosses Lob. -
So fuhrwerkten sie wie Gespenster - warfen die Reste aus dem - Fenster!
Einfachste Methode zu säubern - es blieb für uns nicht viel zu räubern.
Unten türmte sich der Unrat auf - alles nahmen die Russen in Kauf. -
Doch: wird mal eine Meldung gemacht - erschallen Flüche, dass es so kracht!
Alle werden dann herumgehetzt - der Lagerleiter vielleicht versetzt? -
Man zittert vor einer Kommission - für viele genügt der Name schon.
Die Mängel wurden schnell behoben - die Kommission kann nur noch loben ...
Doch: lange hat es nie gehalten - bald war alles wieder beim alten!
Alles nahm wieder seinen Verlauf - der Unrat türmte sich wieder auf.
In Sibirien hinter Stacheldraht - wo die Freiheit keine Maschen hat ...
Von "Normen" - wurde viel gesprochen - doch selten wurden sie gebrochen.
Die Produktion blieb hier stets zurück - viel Holz brauchte man für die Fabrik ...
Gottlob verliess ich auch dies' Lager - und war ich auch entsetzlich mager -
war ich doch immernoch am Leben - lohnte es sich, danach zu streben?
Bei Kälte,Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen.

Ausweis des ehemaligen Kriegsgefangenen Harald Föhr-Waldeck


Nachsatz zu meinen Erinnerungen an die Russische Kriegsgefangenschaft

/1977/

Wenn ich aus dieser Zeit berichte - und für die Nachwelt etwas dichte -
so, weil man diese Zeit nie vergisst - und stets die Gegenwart an ihr misst!
Doch: was sich für uns zugetragen - geschieht noch heut', in diesen Tagen!
D'rum habe ich diesen Weg gewählt - weil mich diese Tatsache so quält.
Dass dort noch heute soviel leiden - in Gegenden, die wir gern' meiden!
Zu denen wir auch nicht gelangen - es sei: wir wären selbst gefangen.
In Sibirien mein' ich, in Russland - vom Hörensagen allen bekannt?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - dort leben die Ärmsten der Armen! -
Doch all' das kann wohl nur ermessen - wer hinter Stacheldraht gesessen?
Bei Kälte, Schnee, Eis zum Erbarmen - mit unter den Ärmsten der Armen! -
Dies' alles hier ist nicht "erdichtet" - ich fühlte mich dazu verfplichtet -
zu schildern, was sich zugetragen - Ihr könnt auch andere befragen! -



1945 - Vor sechzig Jahren - 2005

/2005/

Vor 60 Jahren ging er zuende
vor 60 Jahren, da kam die Wende.
Der 2. Weltkrieg war endlich vorbei
der 2. Weltkrieg, ich war mit dabei.
Ein Meer von Tränen und ein Meer von Blut
heute fragt man sich: wozu war das gut?
50 Millionen Tote man beklagt
wird heute nach ihnen noch gross gefragt?
50 Millionen Menschen, die starben
und wie viele Menschen mussten darben?
Hunger und Elend breitete sich aus
doch: Kriegsgewinnler lebten in Saus und Braus!
Wie viele verloren ihr Hab und Gut
Wie viele verloren den Lebensmut?!
Wie viele Menschen verliessen ihr Land
wie viele Menschen starben "unbekannt"?
Wie viele Kinder wurden zu Waisen
vieles lässt sich heut' nichtmehr nachweisen.
Vieles gerät schnell in Vergessenheit
manche Wunden verheilen mit der Zeit?!
60 Jahre sind seither vergangen
und konnten wir zum Frieden gelangen?
60 Jahre ist eine lange Zeit
sind wir heute gegen Kriege gefeit?
Manche Ursachen wurden zwar entkernt
doch: vom Weltfrieden sind wir noch weit entfernt!
Solange noch Hass in Kopfen nistet
solange ist Frieden nur befristet.
Denn: Hass erzeugt immer wieder nur Hass
und gegen Hass gibt es keinen Erlass.
Auch gegen Gewalt gibt es keinen Halt.
Gewalt erzeugt immer wieder Gewalt!
D'rum: lasst euch durch sie nicht unterkriegen
doch wie - Freunde - lässt sich Hass besiegen?
Hört: wir können für den Frieden beten.
Gemeinsam den Raubfisch "Krieg" entgräten
wenn wir uns als Familie betrachten
uns gegenseitig auch wieder achten!
Wenn wir Vorurteile überwinden
Versöhnlich wieder zusammenfinden!
Wir auf Gottes Offenbarer achten
uns nichtmehr gegenseitig abschlachten!
Wir uns Gottes Willen anvertrauen
zuversichtlich in die Zukunft schauen!
Denn: nur mit Ihm kann es uns gelingen
den Weltfrieden endlich zu erringen!
Er wünscht uns Frieden und Wohlergehen
und das bereits seit Menschen-Geschehen!
Dem hab' ich nichts mehr hin-zu-zu-fügen
Geniesst das Leben in vollen Zügen!
Es wurde uns ja von Ihm gegeben
lasst uns in Freundschaft zusammenleben!
Seht über alles Trennende hinweg
das wünscht euch euer Freund Harald Waldeck.

© by Harald Föhr-Waldeck


Lebenslauf von Harald Föhr-Waldeck

Harald Föhr-Waldeck

Geboren am: 28. Januar 1925 in Berlin
Mutter: Opernsängerin, Vater: Kaufmann
Religion: Röm. kath. - seit dem l. Mai 1990 erklärter Bahá'í

Schulen:
1931 - 1933 Grundschule in Zürich/Schweiz
1933 - 1934 Grundschule in Berlin-Steglitz
1935 - 1941 Paulsen Realgymnasium in Berlin-Steglitz
1941 - 1943 Schauspielschule am Staatstheater in Berlin am Gendarmenmarkt (Leitung: Gustaf Gründgens)

Engagement: 1943 in Karlsbad - Ende 1943

Militär:
Ende 1943 Offizierslehrgang als Gruppenführer / Unteroffizier
1944 Fronteinsatz in Ungarn
geriet am 9. Mai 1945 in der Nähe von Ritschani b. Prag in russische Gefangenschaft
nach Aufenthalten in Prag und Pirna b. Dresden Ende 1945 in den sowjetischen Lagern bei Tscherepowetz, Wologda, Sokol, Woronino bis 1949
Heimkehr nach Berlin am 28. März 1949

Weitere Theatertätigkeit:

  • 1949/50 Neuruppinb. Berlin
  • 1950 Freilichttheater Thale im Harz
  • 1950/52 Städtische Bühnen in Leipzig
  • 1953/54 Theater a.d. Nürnbergerstrasse und Hebbel - Theater in Berlin
  • 1954 Kammerspiele in München
  • 1954/55 in Landshut/Niederbayern
  • 1955 Tutzing am Starnbergersee: Sommertheater
  • 1955/56 Remscheid/Duisburg: "Theater der Jugend"
  • 1956 Gelsenkirchen: Sommergastspiel
  • 1956/58 Stadttheater in Klagenfurt/Österreich (hier lernte ich meine Gattin Farah Afiatpour kennen und durch sie die Bahá'í - Religion)
  • 1958/59 Theater an der Berliner-Allee in Düsseldorf
  • 1959 Stadttheater in Bern

anschliessend Berufswechsel: als Handelsreisender Ende 1959 - Ende 1983. Kundenwerbung für Schweizer Firmen in der gesamten Deutschschweiz und im Tessin. 1984 - Ende 1991 als Fernmeldeassistent bei der PTT in Zürich.

Seit dem 28. Dezember 1961 verheiratet mit Farah Afiatpour aus dem Iran. Drei Töchter: Mándana (1963), Sitta (1967) und Andia (1971). Ende 1973 erfolgte Einbürgerung in die Schweiz.

Nach Pensionierung wieder:

  • Regisseur einer Laiengruppe
  • Gastspielweise am Theater
  • Sprecherzieher und Schauspiellehrer
  • Mitarbeiter am Kunsthaus beim Aufsichtspersonal

Harald Föhr-Waldeck
E-Mail: hfoehr@bluewin.ch

Kategorie: Erinnerungen von Kriegsgefangenen | Hinzugefügt von: Anatoli
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