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Elmar Ullrich: Lager 7150 Grjasowez, Gebiet Wologda, 1943 - 1948 (Teil 1)
04.06.2013, 22:36

Dieses Kriegsgefangenenlager entstand im Spätsommer 1943 auf dem Gelände des ehemaligen Kornilow-Klosters (zerstört 1918), etwa 5 km südlich der Stadt Grjasowez, an der Bahnlinie Moskau-Archangelsk und etwa 40 km südlich der Gebietshauptstadt Wologda. Es befand sich in landschaftlich reizender Lage, inmitten von Wiesen, Feldern (Gerste, Flachs, Kartoffeln) und riesigen Wäldern, etwa am Südrand der Taiga. Durch das Lager selbst floß der Bach NURMA, ein kleiner Nebenfluß der Wologda (wenige Kilometer weiter nördlich war die Wasserscheide zur Dwina, durch keinerlei Geländeform markiert). In unmittelbarer Nähe des Lagers befand sich eine Mineralquelle, das Lager selbst wurde mit diesem Wasser versorgt. 1946 wurde im Lager ein Hochbehälter errichtet. Das Wasser war derart eisenhaltig, daß in den Behältern ein rotbrauner Schlamm von Raseneisenerz ausfiel. In der Nähe des Lagers war eine Flachsfabrik (z.T. aus Steinen des zerstörten Klosters errichtet). Das Lager selbst bestand aus einigen Steinbauten und Holzhäusern, die zum Kloster gehörten, dazu wurden noch vier große und drei kleinere Baracken errichtet, ebenso eine Wäscherei sowie ein eigenes Küchengebäude und ein Speisesaal (1944). Am oberen (östlichen) Lagerrand war das "Klubgebäude" für "Massenkulturarbeit" (Filme, Theater, politische Veranstaltungen), gleich dahinter das Lazarett. Gegenüber vom Klub und vom Lazarett, getrennt durch eine Lagerstraße, war das Gebäude der Uprawlenija (Lagerverwaltung).

Das Klima dieser Gegend war rauh, aber gesund. Januar-Februar brachten eiskalte Nächte bei sehr klarem Himmel, das Thermometer sank öfters unter -40°. Im März setzten Schneestürme ein. Um die erste Aprilhälfte begann das Tauwetter und die Überschwemmung (Eisgang im Bach, vor der Brücke im Lager starke Eisbrecher). Etwa um den 20. April war der Schnee weg, der Vorfrühling begann. Der Vollfrühling setzte im Durchschnitt um den 14. Mai ein: innerhalb von Stunden stand alles in Blüte (Trollblumen-Pracht auf der Lagerwiese). Die Sommermonate waren feuchtheiß und sonnig (im Juni Stechmückenschwärme). Doch kein Monat war völlig frei von Nachtfrost. In der zweiten Augusthälfte setzten die ersten Herbstregen ein, die Laubfärbung Mitte September. Die ersten stärkeren Fröste begannen im Durchschnitt um den 20. 0ktober. Um diese Zeit fiel auch der erste Schnee (frühester Schneefall am 27. Sept. 1945). Um die Zeit der Oktoberrevolution (6./7.November) gab es regelmäßig Tauwetter und Regen (meteorologische Singularität!), danach setzte der Dauerfrost ein. Um den 20.11. schloß sich das Eis der Flüsse. Im Dezember (erste Hälfte) meist starke Schneestürme, unterbrochen von kurzen, aber intensiven Frostperioden. Um die Weihnachtszeit lag der Schnee schon etwa einen Meter hoch. Die tiefste Temperatur in dieser Zeit wurde an Weihnachten 1945 mit -54° gemessen. Es hatte ein Einbruch extrem kalter sibirischer Polarluft stattgefunden, der etwa 12 Tage andauerte. Radio und Lokalpresse riefen die Bevölkerung auf, entsprechende Vorsorge zu treffen.

Die riesigen Wälder waren zumeist Nadelwälder (Fichten und Kiefern), an Laubbäumen waren meist Balsampappeln (Populus baisamifera), Weiden und Birken vertreten. Diese Wälder waren oft sumpfig und sehr reich an Beeren (Bickbeere, Moltebeere, Rauschbeere, Preiselbeere, Himbeere und Heidelbeere) und an Pilzen (Volksnahrungsmittel, getrocknet oder in Salzwasser eingesäuert). An Waldtieren gab es: Wolf, Bär, Luchs, Wildkatze, Elch, Fuchs(auch Blaufuchs), Schneehase, Fasan, Auerhahn, Birkhahn. Im Wasser der Nurma gab es Fische (auch Aale), aber auch Schlammschnecken, die Zwischenwirte, des Leberegels (es wurde gewarnt, Grashalme zu kauen oder Wiesenpflanzen als "Frischgemüse" roh zu essen). Geographische Koordinaten:
Geographische Breite +58° 41'
Geographische Länge 40° 3' ö.L.v.Greenwich (Koordinaten aus Atlas näherungsweise entnommen)


Das Lager selbst

Die ersten Kriegsgefangenen trafen Ende September 1943 ein. Es waren zumeist Deutsche, dazu kamen noch Ungarn, Rumänen und (bis März 1944) etwa 50 Spanier. Lagerkommandant war Oberst SYRMA, ein alter Kosakenoffizier, der die Zarenzeit noch als Fähnrich erlebt hatte und in den Revolutionswirren zur Roten Armee gestoßen war. Sein Stellvertreter war Oberstleutnant BORISSOWEZ, von Beruf Mathematiklehrer in Minsk. Weitere Offiziere: Oberleutnant ALEXANDROW (Arbeitseinsatz), Major MATYROSOW (Zahlmeister, später Hauptmann BERENSTEIN), Hauptmann SALTYKOW (Bekleidung und Wäsche), Hauptmann ZIRKUNEN (Politbetreuer der Finnen, bis Frühjahr 1944), dazu mehrere diensttuende Offiziere (Tagesdienst im Lager). Die Sanitätsabteilung war unter Leitung von Majorarzt TSCHESNOKOW, ihm unterstellt waren die Kapitänärztin SHURAWLJEWA, die Oberärztin KONOPIELKA und die Oberärztin KUSNEZOWA (KOSLOWA). Die "Blauen" - "Politotdjel" (Politabteilung) waren eine eigene Truppe, die nicht der Roten Armee, sondern dem Innenministerium unterstand (etwa die "sowjetische Waffen-SS"). Chef der Politabteitung war erst Major MOROSOW, später Hauptmann DOBRYKOW. Ihnen waren mehrere Vernehmungsoffiziere zugeordnet, u.a. der berüchtigte Leutnant KOROBOW. Der Politinstruktor der deutschen Kriegsgefangenen war ein Ukrainer, Hauptmann WOROBJOW, er wurde im Sommer 1944 durch den deutschen Emigranten, Hauptmann Josef KLINGBEIL abgelöst, der bis zum Schluß im Lager tätig war. Später, ab 1946 kam noch ein Oberleutnant BLANK hinzu.

Die ersten deutschen Kriegsgefangenen (Offiziere) kamen Ende Oktober 1943 ins Lager (der Verfasser am 6. November 1943). Noch in der Quarantäne begann eine systematische Politinstruktion durch Worobjow, wobei folgende Themen besprochen wurden:

  • Frontlage, Heeresberichte, politische Nachrichten, entsprechende Kommentare
  • Das Nationalkomitee "Freies Deutschland" und der "Bund deutscher Offiziere"(BDO)
  • Einführung in den Marxismus-Leninismus
  • Informationen über die Sowjetunion

Zu den letzten beiden Punkten gab es viel Literatur in der Lagerbibliothek. Worobjow war Pädagoge und ging mit großem psychologischem Geschick vor. Nie wirkte er durch Druck,er wollte überzeugen. Den "Ungläubigen" pflegte er zu sagen: "Warten Sie ab, die Zeit wird Ihnen schon zeigen, was recht ist." Nur selten ginghhm "der Gaul durch", höchstens bei Filmkommentaren. Für die Kriegsgefangenen war er jederzeit zu sprechen und tat viel für sie. Als Dolmetscherinnen standen ihm die beiden Schwestern MINKINA (Jüdinnen) zur Verfügung.

Im "Club" fanden die meisten größeren Veranstaltungen statt. Regelmäßig wurden Filme gezeigt, die Worobjow kommentierte. Manchmal waren englische und amerikanische Filme dabei, 1946 sogar ein deutscher Film ("Frau meiner Träume" mit Marika Rökk, Musik von Franz Grothe)

Das Lagerlazarett war ein Altbau, noch aus der Zarenzeit, recht klein und primitiv, aber gut versorgt. "Natschsan" Majorarzt TSCHESNOKOW war nicht nur ein tüchtiger Arzt, sondern auch ein reizender Mensch. Er setzte neben seinen russischen Kollegen auch deutsche Ärzte ein, so Dr.Vielguth (Karlsbad,Chirurg), Dr.Sprawke (Westfalen), Dr.Orthmann (Sudetenland), Dr.Albrecht (Graz), die letzteren waren Internisten, ebenso Dr.Jungnickel. Ihnen zur Seite standen verschiedene Schwestern, wie die stets fröhliche Kapitolina PUSCHMENKOWA ("Vitaminchen", auch "Engel von Grjasowez" genannt), die hübsche, aber unnahbare Tolja ("Madonna von Leningrad"), die Laborantin Zinaida, die Karelierin Saima und die rundliche Anja. Die Lazarettküche betreute Schwester SYBINA.

Der Lagerfriedhof war außerhalb der Zone, in der Nähe der Lagergärtnerei. Es gab nicht viele Todesfälle. Jedes Grab wurde sorgfältig registriert. Die Obduktion der Verstorbenen führte Dr.Vielguth zusammen mit Majorarzt Tschesnokow durch.

Hauptsächlich auftretende Krankheiten: Malaria (auch frische Fälle), Ruhr und andere Darmkrankheiten. Einmal gab es zwei Fälle von Flecktyphus (eingeschleppt durch Läuse aus einer Kolchose) - über das gesamte Lager wurde Quarantäne verhängt und allen Kgf. wurden Haare und Schamhaare entfernt. Jedes Jahr wurden alle Kgf. dreimal geimpft (Mischvakzine), die Innendienste (z.B.Wäscherei) auch gegen Flecktyphus. Es traten auch Fälle von Tuberkulose auf und bei den Rumänen Fälle von Syphilis. Häufig waren Hautkrankheiten wie Furunkulose und Impetigo. Bei einem Außenkommando gab es Krätzefälle; die Wäsche dieser Patienten wurde mit Chlorkalk desinfiziert. Die Apotheke des Lazaretts wurde von Stabsapotheker KIPP (Herford/Westf.) betreut. Es gab hier sehr gute Medikamente russischer Herkunft, wie Sulfapyridin, das gegen Ruhr bestens wirkte. Alle Fälle, die nach einer eventuellen Epidemie aussahen, wurden dem Epidemologischen Institut Wologda gemeldet (Stuhlproben, Blutproben) - es kam nie zu einer Epidemie.

Das Lazarett war in der Nähe des Lagertors. Hier war auch der russische Offizier vom Tagesdienst und das Wachkommando. Um den Stacheldrahtzaun waren Postentürmchen, stets besetzt. Einmal schlief ein russischer Posten. Ein rumänischer Stabsarzt, Dr.Popescu, weckte ihn mit einem Steinwurf und sagte, er würde sich über ihn beschweren, er hätte das Recht, gut bewacht zu werden. Der Russe war sprachlos, dann fluchte er.

Unter den Tageskommandanten (djezhurni ofizer) gab es einen Leutnant Chlobestow, "der letzte Preuße" - er führte seinen Dienst genauestens durch. Einmal sagte ihm ein Kgf., das wäre doch Militarismus, und der sollte uns abgewöhnt werden. "Knobelsdorf" meinte dazu: "Militarismus, das soll nicht sein, aber Ordnung muß sein!" Außerhalb des Lagers war das Lebensmittelmagazin, der Holzplatz und der Kfz-Park. Das Lager füllte sich allmählich bis Ende November 1943, es kamen etwa 150 deutsche Offiziere bis einschließlich Oberstleutnant, dazu etliche Ungarn, Rumänen und Finnen. Sogar ein Slowake war dabei. Auch in der Quarantäne gab es rege Politinformation. Worobjow sagte mehrmals: "Revolution ist keine Exportware!" Was notwendig ist, das ist ein demokratischer Staat und ein Weggehen vom Faschismus, der so viel Unheil und Leid über unsere Völker gebracht hat. Aber dem Marxismus gehört die Zukunft."


Nationalkomitee und Bund deutscher Offiziere

Im Dezember 1943 bildete sich eine Sympathisantengruppe für den BDO, die Teilnehmer legten demonstrativ den Hoheitsadler mit dem Hakenkreuz ab ("Pleitegeier"). Etwas später formierte sich eine Initiativgruppe des BDO unter Führung von Hauptmann Helmut Hauptmann BURMEISTER. Diese Gruppe wünschte genauere Informationen, die aber Worobjow nicht geben konnte, er forderte deshalb "Spezialisten" vom Lager 27, Krasnogorsk an.

Am Hl.Abend gab es eine phantastische Verpflegung - Brot und Zucker waren eingespart worden und jeder erhielt einen Weihnachtsstollen und sogar Kaviar! Im Speisesaal im "Steinhaus" stand ein Christbaum und Worobjow hielt eine Weihnachtsansprache über das Thema "Stille Nacht". (Stille Nacht = Rückzug, "alles schläft" (die Gefallenen) - "einsam wacht" - die Familie in der Heimat)

Im Januar kam eine Initiativgruppe aus Krasnogorsk, Major SCHULZE (Stalingrader,Mitbegründer des BDO), Hauptmann NAUERZ und Leutnant MORAWIETZ. Letzterer hatte die Antifa-Schule in Krasnogorsk absolviert und weigerte sich zunächst, dem BDO beizutreten, als überzeugter Kommunist könne er das nicht mitmachen. Schulze war stark nach Amerika hin orientiert, er hatte jahrelang dort gelebt und sprach perfekt Englisch und einigermaßen Russisch. Ein sehr sympathischer Mann, kein Kommunist, sah aber in der KP eine wichtige Kraft in einem demokratischen Staat. Er konnte sehr interessant und spannend erzählen. Seine Werbemethoden für den BDO waren typisch amerikanisch. Schulze wurde zum "Aktivältesten" gewählt. Die Initiativgruppe des BDO zählte im Januar 1944 etwa 35 Mitglieder und wuchs langsam weiter an.

Die wichtigsten Polit-Themen waren neben einer allgemeinen Einführung in den Marxismus-Leninismus die Frontlage und die Schlacht bei Korsun-Tscherkassy. Dieses Thema wurde im Februar 1944 akut, als General v.Seydlitz an der Front die eingeschlossene Truppe zum Übertritt auf die Seite des NK aufforderte. Die Lagerinsassen wurden durch das Verlesen russischer Nachrichten aus der Zeitung "Iswestija" (durch Dolmetscher) sowie durch die Zeitung "Freies Deutschland" informiert. Teils wurden diese Zeitungen direkt an die BDO-Mitglieder verteilt, teils in Schaukästen ausgestellt. Einen "Krieg hinter Stacheldraht" gab es um diese Zeit noch nicht, wenn auch manchmal die Meinungen hart aufeinander prallten.

Ende März 1944 kam eine Delegation des BDO ins Lager. Es wirkten mit: General EDLER VON DANIELS, Oberst CZIMATIS, Major HÜNNEMÖRDER. Auf ihre Ansprachen hin trat ein großer Teil der Lagerinsassen dem BDO bei, auch Morawietz gab seine ablehnende Haltung auf. Schulze wurde durch BURMEISTER abgelöst - eine großartige Persönlichkeit.

Im Mai - Juni kamen neue Transporte, meist von der Krim. Im Juli-August 1944 füllte sich das Lager, bis Ende August kamen etwa 4000 Offiziere bis zum Oberst einschließlich. Kurz vorher kam eine neue Delegation aus Lunowo (Hauptquartier des NKFD), die Führung hatte General Dr.Otto KORFES. Ihn begleiteten noch Major HETZ, Oberst STEIDLE, Oberleutnant RÜCKER, sowie der deutsche Emigrant Gustav SOBOTTKA. Ihr war nur ein mäßiger Erfolg beschieden. Mit dieser Delegation kam ein weiterer Transport mit NK-Leuten aus Krasnogorsk, wo auch katholische und evangelische Pfarrer dabei waren. Es wurde große Propaganda für Oberstleutnant MATZMOHR gemacht, er sollte eigentlich Aktivältester werden. Aber er war unbekannt und wurde abgelehnt, Burmeister behielt sein Amt. Unter den Neuankömmlingen waren auch Oberstabsarzt Dr.Konrad SCHÖNE, Oberstarzt Dr.Siegfried MÜLLER und Oberarzt Dr.FAHRNER (die letzten beiden waren Stalingrader). Leider wurde Burmeister kurz danach ins Laqer Lunowo verlegt, er war später noch einmal kurz im Lager. Wieder wurde ein Aktivältester gewählt - aus der Alternative Oberst Dr. FRICKER und Dr. SCHÖNE ging letzterer als Sieger hervor.

Der eigentliche "Krieg hinter Stacheldraht" setzte mit aller Schärfe erst im Spätsommer 1944 ein und erreichte seinen Höhepunkt etwa im September/Oktober 1944. Zwar war im Frühjahr 1944 schon eine kleine Gruppe von "Faschisten" ins Lager Jelabuga abtransportiert worden (doch waren auch BDO-Mitglieder dabei). Einige übereifrige BDO-Leute forderten wiederholt eine Trennung ("Faschisten - baracke" wie im Lager Jelabuga). Doch war die Lagerkommandantur, insbesonders die Politabteilung gegen eine solche Trennung. Syrma, Morosow, Worobjow und Klingbeil meinten, daß die Gegner von alleine kommen würden, unter dem Druck der Verhältnisse. Sie behielten recht. Bei der kleinen Mannschaftsgruppe im Lager wurde nur wenig Propaganda gemacht.

Verschiedene Interessenten meldeten sich für die Antifa-Schule Krasnogorsk, mehrmals gingen kleinere Transporte dorthin.

Unter den Krasnogorskern, die im Juli 1944 ins Lager gekommen waren, befand sich auch Kriegsgerichtsrat SCHUHMANN (Stalingrader, später oberster Richter der DDR). Er wurde Lagerältester, sein Vorgänger war Major WIECHERT.

Eine weitere Delegation des NK/BDO kam im Oktober 1944. Ihre Mitglieder waren die Generale Vinzenz MÜLLER und Martin LATTMANN, dazu noch Hauptmann DOMASCHK, Hauptmann FLEISCHER, Major LEWERENZ, Major FRH.v.FRANKENBERG und PROSCHLITZ, Stabsflugführer TRENKMANN, Major BÜCHLER, Unteroffizier GRANDY, Gefreiter Jakob ESCHBORN und Pfarrer MOHR. Auch ihre Wirksamkeit war beschränkt. Danach blieben im Lager: v.Frankenberg, Trenkmann, Büchler, Eschborn.

Die Anzahl der BDO-Mitglieder betrug im Winter 1944/45 etwa 1500, rund 1/3 der Lagerbelegschaft. Im Winter 1944 trugen die BDO-Ahgehörigen schwarz-weißrote Ärmelschilder. Kurz darauf machten dies die Österreicher nach und trugen rotweißrote Schilder am linken Oberarm.

Im Winter 1944/45 kamen für einen Tag die beiden Pfarrer KAYSER (kath.) und Dr.KRUMMACHER (ev.) ins Lager; es fanden Konferenzen im engsten Kreise statt. (Der Verfasser war bei der Besprechung mit Pfarrer Kayser dabei - er sprach sehr leise, wohl aus gutem Grund - man mußte sehr genau hinhören).

Die Hauptargumente der BDO-Gegner waren:

1) Wir sind Kriegsgefangene - Politik hinter Stacheldraht lehnen wir ab.

2) Die Sowjets mißbrauchen uns doch nur als "nützliche Idioten" und machen mit uns schließlich doch, was sie wollen. Wir trauen ihnen nicht.

3) Der Fahneneid bindet uns an Hitler. Hitler und Deutschland sind gleichzusetzen.

4) Was Greueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrifft, haben die Russen allen Grund zu schweigen. Auschwitz kommt ihnen sicher gelegen, um eigene Verbrechen zu verdecken - siehe Weißmeerkanal, Turksib, BAM - wie viele Menschenleben hat dies alles gekostet!

5) Und was Juden betrifft - Stalin hat sich gewiß ins Fäustchen gelacht. Wir haben so oft, sogar von russischen Stabsoffizieren das böse Wort gehört: "Gitler plocho rabotal!"(Hitler hat schlecht gearbeitet)

6) Unsere Ostgebiete sollen an Polen fallen - das dürfen wir nie zulassen!

7) Die Sowjets wollen die Macht in Mitteleuropa ergreifen - als Basis für eine Eroberung ganz Europas.

8) Bolschewikis und Nazis - es kommt alles auf dasselbe heraus. Der Unterschied ist gar nicht so groß - zwei Diktaturen.

9) Die deutschen Emigranten werden bald den Ton angeben. Jetzt halten sie sich auf Anordnung der Sowjets zurück. Aber die BDO-Leute sind den Russen viel zu konservativ. Aber wenn ihre Zeit kommt, dann gibt es nur eines: Diktatur des Proletariats.

Nach dem Scheitern der Rundstedt-Offensive und dem beginnenden Zusamenbruch der Ostfront Mitte Januar 1945 (Baranow-Brückenkopf an der Weichsel) resignierten die BDO-Gegner, es erfolgten Masseneintritte. Bei Kriegsende waren mehr als die Hälfte des Lagers BDO-Mitglieder. Doch immer mehr machten sich bei ihnen Resignation und Enttäuschung breit, besonders als im Sommer 1945 weitere Transporte aus Deutschland ankamen. Hier waren Verschleppte dabei, alte Leute über 70 Jahre, die im 2.Weltkrieg nie Soldat waren, dafür zwischen 1914-1918. Durch sie erfuhren wir im Lager erstmals von den Massenvergewaltigungen und anderen Greueltaten der Roten Armee in Ostpreußen und im Reichsgebiet.

Mit Kriegsende war auch der "Krieg hinter Stacheldraht" beendet. Doch wurde noch im Frühsommer 1945 für NKFD und BDO geworben.

Anfangs November wurden NKFD und BDO aufgelöst, an ihre Stelle trat nun die ANTIFA (Antifaschistische Vereinigung). Jetzt ging es nicht mehr um Demokratie im westlichen Sinne, sondern im östlichen, wobei Demokratie = Volksherrschaft mit "Diktatur des Proletariats" gleichgesetzt wurde. Aktivältester im Lager wurde nun Leutnant Rudolf BARBARINO, seit 1941 in Gefangenschaft, Antifa-Schüler und orthodoxer Kommunist, er trug sogar das russische Verwundetenabzeichen. Er prägte dem Lagergeschehen nun seinen Stempel auf. Dabei gab er sich wie ein HJ-Führer (er war auch einmal einer; seine Ideale haben sich nicht geändert, nur die Fahne). Als besondere Aktivisten traten damals hervor: Leutnant WINDISCH (ebenfalls Antifa-Schüler), Oberleutnant Dr.ARRAS, Oberleutnant Erwin MELMS, Oberleutnant MÜHLHAUSEN, Oberzahlmeister ELERS, Oberleutnant STOBERNACK, Leutnant Dr.KLARR. Letzterer war die juristische und allgemein intellektuelle Stütze von verschiedenen Kommunisten, die den Gegenargumenten nicht gewachsen waren. Nun wehte im Lager ein anderer Wind. Barbarino übte eine richtige Zensur aus; er mischte sich ins Kulturleben ein und kritisierte Dinge, von denen er nichts verstand, aber nach seiner Meinung "gegen die Linie der SED "verstießen". Viele frühere Anhänger des BDO/NKFD distanzierten sich innerlich von den Sowjets, einige traten aus der ANTIFA aus. Dazu setzten ab Juni /Juli 1945 die ersten Massenvernehmungen ein, man suchte "Kriegsverbrecher". Gelegentlich mußte das ganze Lager antreten, Zivilisten gingen durchs Lager und suchten bestimmte Leute (Erschießungskommandos, Einheiten,die gegen die Partisanen kämpften, Brandstifter u.s.w.). Im Winter 1945/46 fand eine große Versammlung im Speisesaal statt: Es ging um Kriegsverbrechen, die Kgf. wurden aufgefordert, ihnen bekannte Kriegsverbrechen und die Schuldigen zu melden. Dies stieß allgemein auf Ablehnung. Hauptmann Dobrykow erklärte sogar dabei, daß unsere Heimkehr davon abhänge. 1946/47 wurden die Vernehmungen immer schlimmer. Es gab dabei Folterungen. So wurden z.B. im Winter 1946/47 verschiedene Kameraden bei klirrender Kälte auf eine Glasveranda im Stabsgebäude ohne Mantel und Mütze eingesperrt und nach einer Stunde wieder vernommen. Verschiedene Kameraden (Weinzheimer, Hardt-Berges, Weyel, Koch) waren sehr lange unter menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt, z.T. mehr als ein halbes Jahr. Berüchtigt war vor allem der "Lockenkopr", Leutnant KOROBOW. Immer wieder erfand er neue Foltermethoden. Seine junge Frau hatte - wohl wegen ihres Verbrauchs an Lippenstift und Wimperntusche - den Spitznamen "Friedrichstraße".


Arbeitseinsatz

Im Sommer 1945 begann der allgemeine Arbeitseinsatz für Offiziere bis zum Hauptmann. Die Stabsoffiziere brauchten nicht zu arbeiten, meldeten sich aber häufig zur Arbeit auf den Kolchosen (Da bestand die Möglichkeit, die karge Verpflegung etwas aufzubessern). Der Würzburger Major und Ritterkreuzträger Gerd GROSSE zeigte dabei den Russen, wie man mit Motorpflügen umgeht, nur dank seines Organisationstalents erfüllte er die Norm mit über 250% und wurde deshalb sogar in Presse und Rundfunk lobend erwähnt. Auch in den Lagerbetrieben (Wäscherei, Banja, Küche, Werkstätten) waren verschiedene Stabsoffiziere tätig. Es gab Fälle, wo deutsche Offiziere ein Handwerk erlernten. So arbeitete der Oberleutnant Dr.Barnbeck in der Lagerschuhmacherei und machte sein Gesellenstück bei einem Schuhmachermeister (der sich auch bereit erklärte, dies nach Entlassung der zuständigen Handwerkskamer zu melden).

Die meisten Lagerinsassen von 7150 arbeiteten in Kolchosen und Sowchosen in der Nähe des Lagers. Im Sommer 1946 wurde an der Autostraße Moskau-Wologda gearbeitet; das Teilstück Grjasowez / Lager bis über Basargino hinaus wurde großenteils von Lagerinsassen geschaffen. Deutsche und russische Ingenieure planten einen Brückenbau über das Flüßchen Nurma bei Rostilowo, auch ein größerer Einschnitt wurde von ihnen geplant und auch ausgeführt. 1946/47 arbeitete ein Holzschlagkommando in Panowka, etwa 200 km nördlich von Grjasowez.

1947 leerte sich das Lager immer mehr. Im Sommer 1947 ging ein größerer Transport ins Lager Moshajsk, westlich Moskau (Leitung: Olt.Scharberg). Es folgten kleinere Transporte nach Sokol (Lager 7193/1), Papier-Zellulose-Kombinat. Später wurden die meisten Stabsoffiziere nach Tscherepowez abtransportiert. Im Sommer 1948 wurde das Lager 7150 aufgelöst. Der Rest der Belegschaft kam ins Lager 7437 Tscherepowez - Bogorodskoje am Nordrand des Rybinsker Stausees.


Kulturelle Arbeit im Lager

Diese war von Anfang an sehr intensiv. Es gab Vorträge in den Baracken über allgemein interessierende Themen, dazu verschiedene Arbeitskreise, z.B. Recht und Verwaltungswesen, Forstwirtschaft, Einführung in die Astronomie, Sprachkurse u.a. Konzertgeiger Lt. Fritz POTH ergriff die Initiative für Musik (zunächst war nur eine Violine und eine Gitarre vorhanden). 1944 kam dann mit Hauptmann Kurt MÜHLMANN ein weiterer Konzertgeiger hinzu. Lt.Alfred IGNOR spielte Gitarre. Es bildete sich ein großer Lagerchor unter Leitung des Wiener Kapellmeisters Ferdinand HAWEL. Sehr schön gestaltet waren die Feierstunden an den Sohntagen: im I. Halbjahr 1944, die "Lagerrunde" (Leitung: Werner Schmidt, Dichter und Schauspieler). Später bildete sich ein Sextett für Chansons und Schlager und ein Doppelquartett für Volkslieder und klassische Musik. Um die Advents- und Weihnachtszeit fanden abendliche Feierstunden in den Baracken statt.

Der erste Gottesdienst im Lager, eine katholische Messe, fand am Ostersonntag 1944 statt, Zelebrant war Divisionspfarrer Josef VENNERMANN. Obwohl offiziell der dialektische Materialismus ("Diamat") propagiert wurde, legte die Lagerleitung großen Wert auf Gottesdienste im Sinne geistiger Betreuung. Pfarrer Vennermann mußte bereits am Ostermontag nach Moskau zu einer Pfarrer-Konferenz, ("Räubersynode"), kehrte aber im Juni wieder zurück. Seit dieser Zeit gab es im Lager regelmäßig katholische und evangelische Gottesdienste.

Zur Ergänzung eine Episode aus dem Lager 7193 Sokol. Unter den Mannschaften war ein Sanitätsunteroffizier, der katholischer Priester war. Er hielt jeden Sonntag einen Gottesdienst, war aber 1947 in einer schmierigen seelischen Lage und zweifelte an seiner Berufung. Da wurde er (er hieß Hubert TOMBRINK) plötzlich zur russischen Lagerleitung gerufen. Hier war ein Major, der Deutsch konnte und mit ihm allein sprechen wollte. Nach Fragen über sein Priesteramt und Gottesdienste sagte der Russe: "Halten Sie Gottesdienste! Sagen Sie den Leuten, daß es Gott gibt und daß er sie heimführen wird; sie sollen nur den Glauben und die Hoffnung nicht aufgeben!" In diesem Augenblick fand Pfarrer Tombrink seine Berufung wieder. Diese Begegnung fand statt im November 1947. "Lux lucet in tenebris!"

Der "Krieg hinter Stacheldraht" hinterließ auch im Kulturleben seine Spuren. Der hervorragende Lagerchor wurde durch Dr.Schöne aufgelöst, an seine Stelle trat ein BDO-Chor, dessen Leistungen aber ein Fiasco waren. Die kulturelle Betreuung in den Baracken wurde durch den BDO bezw.ANTIFA organisiert. Eine eigene Kulturgruppe wurde gebildet, die Referenten wohnten meist zusammen in einer eigenen Unterkunft. Jede Baracke hatte ihren Kulturobmann. Es wurde tatsächlich sehr viel geboten, denn unter den Kriegsgefangenen gab es viele Wissenschaftler und Künstler. Es gab Vorträge über Politik (Olt. Reiss), Literatur (Lt. Dr. Bolewski und Lt. Preuß (Spitzname "Feierabendmörder"), naturwissenschaftliche Themen (Lt. E. Ullrich - Astronomie, Vulkanismus, Edelsteine), Theologie (Major Dr. Dinkler, Prof.Dr. Ellwein). Sogar ein kleines Symposium über die menschliche Persönlichkeit wurde durchgeführt, wobei ein Psychologe, ein Psychiater, ein Theologe und ein Pädagoge referierten.

"Bunte Abende" hatte es schon 1943/44 gegeben, sowie in den Baracken das "Schatzkästlein" (Lesungen, die zur Meditation anregen, klassische Musik). Lt.Werner SCHMIDT war einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Doch wirkliches Theater wurde erst nach dem Eintreffen von Berufsschauspielern geboten. Das erste Theaterstück im Lager war "Die Räuber"(Schiller), inszeniert von Lt.Klaus SCHRADER, zusammen mit Olt. Siegfried GÖHLER und Werner SCHMIDT. Später gab es Aufführungen von "Der Revisor"(Gogol), "Faust"(Goethe), "Macbeth"(Schiller, nach Shakespeare), "Professor Mamlock"(Wolff), "Die tote Tante" (K.Goetz), sowie die Singspiele "Die rote Nelke", "Lump mit Herz" und "Einmal wieder jung sein" (H.Carste). Das Singspiel "Die rote Nelke" mußte auf Betreiben von Barbarino abgesetzt werden, trotz lautstarken Protests - irgendein russischer Offizier hatte den Inhalt nicht verstanden und als "njekulturnij" bezeichnet.

Bei den Gottesdiensten trat auf katholischer Seite besonders Prof.Dr.theol. H.STELZENBERGER hervor, ebenso wie Pfarrer Karl HALLER. Letzterer hatte eine ausgebildete Stimme (Baßbariton) und war bei manchen Konzerten tätig. Auf evangelischer Seite waren es Prof.Dr.Th.ELLWEIN, Prof.Dr.DINKLER (exzellente Prediger)und dazu der unverwüstliche "Kuddel Daddeldu", Oberleutnant zur See BETTIN - letzter predigte gerne in Platt für Leute von der Marine und der Waterkant. Dr.Stelzenberger führte auch einen regelmäßigen "Dies" für die katholischen Geistlichen ein - im Lager waren es zuletzt etwa 20.

Die Lagerbibliothek erweiterte sich beträchtlich nach 1945. Verschiedene Kgf. schrieben selbst kleine Bücher, die kopiert und gebunden wurden. So z.B. Lt.E.ULLRICH, der eine kleine Einführung in die Astronomie verfaßte, sowie ein Büchlein über Kometen und Meteore. Die meisten deutschsprachigen Bücher stammten aus der Wolgadeutschen Republik.

1945 kam der bekannte Filmmusiker Lt.Hans CARSTE ins Lager. Er war hoch angesehen, vor allem bei Oberst Syrma. Carste gelang es, mit Hilfe von Lt.Poth, Hauptmann Mühlmann und Politbetreuer Klingbeil alles bestens zu organisieren. Im Frühjahr wurden in Moskau Musikinstrumente besorgt (größtenteils Spenden der Kgf. in Rubeln), Klingbeil war selbst dabei. Er war ja Berufsmusiker ("Artist"), Xylophonspieler. Einmal trat er sogar im Lager auf und spielte den Zirkus-Renz-Marsch. (Er wurde aber danach offenbar von der Lagerleitung getadelt). Es bildete sich ein Symphonieorchester, ein Streichquartett, eine Bläsergruppe und eine Tanzkapelle, Leitung von Hans Carste.

Sämtliche Programme (kulturelle und politische Veranstaltungen) mußten von der russischen Lagerleitung genehmigt werden. Klingbeil tat hier viel auf eigene Verantwortung.


Politische Arbeit

Neben den allgemeinen Politveranstaltungen im Lager gab es die "Untergruppenbesprechungen" - die BDO-Mitglieder waren in Untergruppen gegliedert. Die Themen lieferte der Politoffizier (Klingbeil). Nach 1945 war das zentrale Thema der Vergleich zwischen den sich immer mehr auseinanderlebenden Besatzungszonen in Ost und West. Später stand die deutsche Einheit im Mittelpunkt, es gab auch Diskussionen über den Verfassungsentwurf der SED (1946/47). In den Baracken wurden täglich die neuesten Nachrichten verlesen - auch Sportberichte. An der Lagerstraße wurden Zeitungsstände aufgestellt; es waren ausschließlich Ostberliner Zeitungen ausgehängt.

Die Lagerbetriebe und Außenkommandos bildeten kleine, überschaubare Gruppen, die politisch und kulturell leichter zu betreuen waren als große Massen. Es kam vor, daß Musiker, Politbetreuer und Pfarrer zusammen irgendwelche Außenkommandos besuchten, z.B. das Kommando in der Spritfabrik Ploskoje oder das Straßenbaukommando Mjasnikowka.

Doch das Ergebnis der politischen Schulung war im Jahr 1947 bereits das Gegenteil dessen, was die Sowjets angetrebt hatten. Zu tief wirkte die Enttäuschung über ihr Verhalten im Fall BDO/NKFD nach. Spätestens im Sommer 1947 sympathisierte die Mehrzahl der "Plennies" mit den Amerikanern, nur Streber wurden echte Kommunisten. Zudem - die politische Schulung war nun rein kommunistisch geworden, was den wenigsten behagte.


Sport

Nach sowjetischem Vorbild stand der Sport "Fiskultura" ganz unter politischen Vorzeichen, - eine "Säkularisierung" des römischen Grundsatzes "Mens sana in corpore sano." Seit 1946 wurden an den Sonntagen zahlreiche Sportveranstaltungen durchgeführt: Schwimmwettkämpfe in der Nurma, Fußball und Handballspiele (für diese Zwecke wurde die Lagerzone sogar erweitert in Richtung des Dörfchens Taliza). Auch ein Reck und ein Barren wurden aufgestellt. Eine besondere Sensation waren im Sommer 1947 die Boxkämpfe, bei denen auch das russische Personal zuschaute. Einmal kam der Gebietsschachmeister aus Wologda ins Lager und gab eine Simultanpartie an 30 Brettern, von denen er 27 gewann, ein Spiel verlor und zwei remis endeten. Dieser Gebietsmeister war Brauereidirektor; er nahm den Sieger Olt. Mehnert mit nach Wologda, wo er offiziell arbeitete, tatsächlich aber mehr Schach spielte. Ein Kgf. Lt.Umminger arbeitete einige Zeit als Trainer des Fußballvereins Dynamo Wologda, mit Erfolg (Umminger war von Beruf Sportlehrer).


Besondere Vorkommnisse

Seit Winter 1943 war der Chefdolmetscher der 6.Armee, Sonderführer Graf Boris Dimitrjewitsch von NEITHARD im Lager (sein Vater war Flügeladjutant des Zaren).

Oberst Syrma und v.Neithard kannten sich von der Kadettenschule in Sankt Petersburg. Sie blieben gute Freunde. Es wird berichtet, daß sie gelegentlich gemeinsam dem Wodka zusprachen. Neithard arbeitete nie und machte allerlei Geldgeschäfte. 1949 wurde er zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, kam aber bereits 1950 heim. Er war eben selbst Russe und kannte alle Schliche.

Seit Herbst 1946 gab es im Lager ein "Erholungsheim", jeder Arbeiter konnte hier ein paar "Urlaubstage" verbringen. 1946 brach eine Kaffeeschwemme über Rußland herein. Da die Russen Tee bevorzugen, wurde der Kaffee für billiges Geld angeboten. 1947 im Frühjahr entstand eine "Kaffeestube", mit einer kleinen Kantine, wo Dinge wie Bleistifte, Hefte, Kalender, Seife,Kölnisch-Wasser etc. verkauft wurden.

Im Frühjahr 1947 ging man mit großer Energie daran, die Lagerverhältnisse zum Positiven umzugestalten. Überall wurde getüncht und verputzt, Wandmalereien entstanden. Die Wanzen und Kakerlaken wurden (ohne Erfolg) bekämpft. Die großen Pritschenböcke wurden abgebaut, die dreistöckigen Pritschen verschwanden.

Im Herbst 1946 wurden die Elsässer/Lothringer als französische Staatsbürger repatriiert und in Österreich den Franzosen übergeben. Sie wurden bald entlassen, denn die Mehrzahl hatte deutsche Staatsangehörigkeit.

1947 im Herbst wurden vier Lagerinsassen wegen "Diebstahl am sozialistischen Eigentum" zu Zwangsarbeit verurtei1t ("Mundraub" von Lebensmitteln). Es fand im Lager ein Schauprozeß statt. Die Verurteilten wurden später in einem Lager im Gebiet Wologda gesehen.

Kategorie: Erinnerungen von Kriegsgefangenen | Hinzugefügt von: Anatoli
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