Es ist soweit. Der Fronturlaub geht seinem Ende entgegen. Man macht sich auf den Weg in Richtung Bahnhof. Fünf Kilometer Weg. Gedankenverloren Hand in Hand.
Eine Familie wie so viele. Ein zärtlicher Kuss. Das kleine Madchen nochmals auf den Arm nehmen. Ein ganz normaler Abschied.
Doch es sollte der letzte sein. Nie wieder würden sich Maria und Hugo in den Armen liegen. Nie wieder würde die kleine Helga die zärtlich-rauhen Hände Ihres Vaters spüren. Die am Bahnsteig allgegenwärtige Befürchtung sich nicht wiederzusehen wird durch die von Liebe getragene Hoffnung verdrängt.
Der Zug setzt sich in Bewegung. Männer in Uniform stehen in den Gängen. Weisse Taschentücher werden aus den Fenstern gehalten. Verhaltenes Winken. Ein letzter Gruss.
Inzwischen sind mehr als sechzig Jahre vergangen. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen auf dieser Welt hat entgegen allen Fakten über zehn Jahre angehalten. Der Glaube an ein gemeinsames Leben nach dem Tode ein ganzes Leben lang.
Vielleicht war es dieser unerschütterliche Glaube meiner Grossmutter, der mich motivierte die Spur meines Grossvaters zu verfolgen.
Insbesondere der Anfang gestaltete sich recht schwierig, da meine Grossmutter in einer Phase von Verbitterung und Wut alle Briefe und Dokumente meines Grossvaters verbrannte.
Ein erstes Hochgefühl erfasste mich als ich, bei meiner bis dahin wenig erfolgreichen Recherche, den Namen meines Grossvaters in der Datenbank des Volksbund Deutsche Kriegsgraberfürsorge e.V. fand.
Wirkliche Unterstützung kam mit Anatoli Sytschow. Durch die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen und das von ihm aufgebaute Netzwerk aus Betroffenen, suchenden Angehörigen und Interessierten kam ich nicht nur an die gesuchten Informationen, sondern bekam einen bewegenden Einblick in die dunkle Zeit des zweiten Weltkriegs und seiner Konsequenzen.
Vielen herzlichen Dank.
Meine Mutter, das Kind in der Bildmitte, möchte sich auf diesem Wege ebenfalls ganz herzlich bei Ihnen und bei Herrn Reinhold Hammerschmidt bedanken, der uns ein wenig Erde aus Tscherepowetz überreichte, die wir als Gruss meines Grossvaters auf dem Grab meiner Grossmutter niederlegten.
Der Internationalen Gesellschaft Russki Plen wünschen wir weiterhin viel Erfolg und das notwendige Quäntchen Glück bei der Erfüllung Ihrer Zielsetzung. Die spontane Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit, die uns bei unserer Reise zu den eigenen Wurzeln begegneten, waren beispielhaft. Beispielhaft für den beschrittenen Weg von Verständigung, Versöhnung und Freundschaft.
Im nächsten Frühjahr wird eine Tulpenzwiebel, genährt von russischer Erde auf dem Grab von Maria Kammerer erblühen.
Eine kleine Erinnerung an das kurze Familienglück, das durch die Irrungen und Wirrungen des 2. Weltkriegs zerstört wurde. Einem von deutschem Boden ausgegangenen Krieg, der zu unsagbarem Leid auf beiden Seiten führte. |