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Inge Döring: Eine Reise in die Erinnerungen
02.06.2013, 23:21

Ungarische Gedenkstätte. Im Hintergrund deutsche GedenkstätteMitte Januar 1946 erhielt unsere Familie vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge die Nachricht, dass ein Heimkehrer ausgesagt hat, dass unser Vater in einem Kriegsgefangenlager zwischen Moskau und Leningrad im Januar - Februar 1945 verstorben ist. Leider war der Heimkehrer nicht mehr aufzufinden, um ihn weiter zu befragen.

Nachdem die russischen Archive geöffnet wurden, schickte ich im April 1995 einen erneuten Suchantrag an den DRK Suchdienst in München. Bis Januar 2003 habe ich auf eine Antwort des DRK gewartet.

Um selber suchen zu können, habe ich mir im Januar 2003 einen PC gekauft, bin von meiner Tochter angelernt worden und habe mich im April 2003 ins Internet getraut. Nun erhielt ich Hilfe durch die Foren, lernte wo und was ich fragen muss und kann. Es kamen auf meine Anfragen sehr viele negative Antworten. Nur eine weitere Heimkehreraussage für den Ural und eine Heimkehrerkarte vom DRK halfen mir weiter.

Der Heimkehrer, ein Zahnarzt, hatte mit meinem Vater im gleichen Lazarett in Temeschburg/Rumänien gearbeitet. Kurz vor seinem Tod hat er sein Leben aufgeschrieben. Die Passagen der Gefangennahme, die Transporte während der Gefangenschaft bis Tscherepovetz und den Lageraufenthalt bekam ich freundlicherweise vom Sohn zugeschickt.

Wurde mein Vater auch nach Tscherepovetz transportiert, ist er dort verstorben?

Meine Anfrage im Militärarchiv in Moskau war negativ. Es gab dort keine Akte von meinem Vater.

Um die Zeit der Gefangenschaft mit dem Heimkehrer, Lager Ural, von Oktober 1944 - März 1945 (im März 1945 sollte mein Vater dort verstorben sein) und damit den Ort des Lagers herauszubekommen, schickte ich die Heimkehreraussage im Januar 2005 an das Militärarchiv in Moskau.

Im April 2005 erhielt ich die Antwort. Der Heimkehrer war nicht im Ural im Lager gewesen, sondern im Lager 158 in Tscherepovetz und in dieser Lagerliste wurde mein Vater mit falschen Vornamen, aber seinen Personalien gefunden.

Er war von Focsani/Rumänien (großes Sammellager) mit dem gleichen Transport wie der Zahnarzt Dr. Hartmann am 14.12.1944 in Tscherepovetz angekommen.

Durch die Aufzeichnungen von Dr. Hartmann wusste ich, dass die Gefangenen schon fast verhungert und verdurstet im Lager ankamen. Die meisten konnten von dem langen Transport nicht mehr alleine gehen. War mein Vater, Jahrgang 1898, noch in der Lage richtig zu sprechen? Darum denke ich, dass es dadurch bei der Registrierung zu dem falschen Vornamen gekommen ist.

Im Februar 2005 hatte ich durch Zufall die home page http://a.vologda-oblast.ru/main.asp?V=341&LNG=DEU gefunden. Aus einem Gefühl heraus habe ich mir die Lagerlisten ausgedruckt und hatte die Lagernummer 158 bereits gesehen.

Eine Nachfrage in Vologda ergab, dass mein Vater auf dem städtischen Friedhof in Tscherepovetz begraben wurde. Jetzt wusste ich, dass ich meinen Vater auf dem Friedhof besuchen werde.

Während meiner 3,5 jährigen hartnäckigen Suche nach meinem Vater habe ich viel über die Möglichkeiten einer Suche gelernt. Dieses Wissen wollte ich gerne weitergeben und anderen Suchenden helfen. Ich wurde aktives Mitglied bei dem internationalen Verein www.vermisst-gefallen.net .

Das Forum hatte ich auch durch Zufall gefunden und war überrascht, dass junge Menschen ihre Freizeit und auch ihr Geld dafür hergeben, Suchenden behilflich zu sein. In verschiedenen Ländern fahren sie zu Ausgrabungen der toten Gefallenen, damit sie würdig begraben werden können. Auch überrascht hat mich, wie viele Enkelkinder heute wissen wollen, was ist mit meinem "Opa" geschehen.

Im Juli 2005 wurde in Vologda die Internationale Gesellschaft "Russki Plen" gegründet. Die Aufgaben der Gesellschaft gefallen mir und darum bin ich auch dort Mitglied geworden. Hier möchte ich den russischen Familien bei der Suche nach ihren Vermissten helfen.

Meine Reise nach Vologda habe ich vom 15.08. - 30.08.2006 unternommen. Für den 18.-19.08.06 war schon der Besuch auf dem Friedhof in Tscherepovetz geplant. Svetlana, lebt in Tscherepovetz, holte mich vom Hotel Spasskaja ab. Am nächsten Tag besuchten wir zuerst die Stelle, wo das Lager 158 einmal an der Scheksna gestanden haben soll. Nach so vielen Jahren ist nichts mehr davon zu sehen.

Anschließend fuhren wir zum Friedhof, um mit einer Skizze, die ich vom Archiv aus Moskau bekommen hatte, die ungefähre Grablage zu finden. Man konnte sie nur erahnen. Ich wusste bereits, dass die Gräber ab ca. 1970 mit einheimischen Toten überbettet worden sind.

Mir genügte es auch, auf dem Friedhof zu stehen. Swetlana wusste, dass auf diesem Friedhof ein älterer Mann arbeitet, der sich sehr gut auskennt. Sie ging ihn suchen. Beim Denkmal für die gefallene Russen war ich jetzt allein und mir war zumute, als wenn mein Vater gerade gestorben war. Als Swetlana nach fast einer halben Stunde zurückkam, hatte ich mich einigermaßen wieder gefangen. Sie hat den Mann nicht mehr angetroffen. Meine Blumen legte ich auf das Denkmal.

Deutsche GedenkstätteWir gingen zu einem zweiten Friedhofseingang, wo die Gedenkstätten der Finnen und Ungarn sind. Dort wollte wir (Frau Wendt und ich) nach einem Platz für einen Naturstein suchen, der an die deutschen verstorbenen Gefangenen erinnern sollte.

Neben den zwei bereits zwei vorhandenen Gedenkstätten, die ich von Bildern kannte, sah ich ein unbeschriftetes Kreuz aus Edelmetall. Ich wusste auch, dass der VdK auf einem zweiten Friedhof der Gefangenen in Tscherepovetz tätig werden wollte. Es sollte eine größere Anlage für alle 18 Gefangenenfriedhöfe im Oblast Vologda werden.

Vom Hotel aus rief ich beim VdK in Kassel an und erfuhr, dass der VdK jetzt auf dem städtischen Friedhof die Gedenkstätte für die 18 Friedhöfe errichtet. Ein Kreuz aus Edelmetall wäre bereits aufgestellt, Steine sollten noch gelegt werden und ein Zaun würde auch noch errichtet. So fuhr ich ein zweites Mal mit dem Bus zum Friedhof in Tscherepovetz, um mir es noch einmal anzusehen. Unser Gedenkstein war nicht mehr nötig, er hätte fast neben dem vom VdK gestanden. Meine Blumenstrauß konnte ich ganz ruhig vor das Kreuz stellen. Von meinem Vater hatte ich Abschied genommen.

Kategorie: Reiseberichte | Hinzugefügt von: Anatoli
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