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Vortrag von Prof. Dr. V.Konasov "Das IKRK und die Sowjetunion. Ein Weg der Konfrontation und der Zusammenarbeit". Heiden, den 25.06.2004
09.06.2013, 10:41

Sehr geehrte Damen und Herren!

Prof. Dr. Viktor Konasov. Vortrag im Henry-Dunant-Museum in Heiden/SchweizBevor ich mit meinem Vortrag beginne, möchte ich mich beim Vorstand des Museums von Henry Dunant für die Möglichkeit bedanken, vor den Gästen des Museums heute sprechen zu dürfen. Ich möchte Ihnen auch den Schulleiter der Realschule Engelwies-Bruggen Herrn Andy Prinzing vorstellen, der unseren Besuch in die Schweiz und unser Treffen heute ermöglicht hat. Unserem Treffen wohnt auch Herr Harald Föhr-Waldeck aus Zürich bei. Als ehemaliger Insasse einiger Stalinschen Lager hat er alle Probleme in den Beziehungen zwischen der SU und dem IKRK in und nach dem II. Weltkrieges selber erleben müssen.

Das Thema meines Vortrages lautet "Das IKRK und die SU. Ein Weg der Konfrontation und der Zusammenarbeit". Ich kann aber nicht umhin, auch aus Respekt vor Henry Dunant über die Geschichte der Beziehungen zwischen dem IKRK und dem russischen Zarenreich zu berichten.

In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts fanden zwei bemerkenswerte Ereignisse statt, die eine neue Etappe in der Geschichte der Bewegung für die Rechte der Opfer und Teilnehmer der bewaffneten Konflikte markierten. Diese beiden Ereignisse sind mit dem Namen des Schweizer Bürgers Henry Dunant verbunden. Der Autor des Buches "Eine Erinnerung an Solferino", das die Leser zum Gedenken der 80 000 Gefallenen und Verwundeten im Krieg zwischen Österreich und Frankreich mit seinen Verbündeten bewegt, hat die Gründung einer internationalen Organisation angeregt, die sich der Opfer der Kriege annehmen sollte. In der Sitzung des Komitees der "Gemeinnützigen Gesellschaft" am 17. Februar 1863 formulierte Henry Dunant seine wichtigsten Ideen und setzte sich für die Rechte der im Krieg Verwundeten und Kranken ein. Dieser Tag gilt als Tag der Gründung des IKRK.

Die Rotkreuzgründer mit Henry Dunant und dem ersten Vorsitzenden des IKRK Gustave Moynier an der Spitze eröffneten am 26. Oktober 1863 die erste internationale Konferenz, an der die Vertreter von 16 Ländern teilnahmen. Nach diesem Forum begann eine schnelle Entwicklung nationaler Rotkreuzgesellschaften. H.Dunant leistete auch eine grosse Vorbereitungsarbeit für die Einberufung einer internationalen Konferenz, die neue Regeln und Prinzipien der Kriegsführung einführen sollte. Im August 1864 nahmen die Vertreter von 12 Ländern ein "Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten auf dem Feld" an der Konferenz in Genf an. Bereits nach vier Monaten wurde dieses Abkommen durch 10 Staaten ratifiziert. 1867 unterzeichnete der russische Zar Alexander II. eine Satzung der "Gesellschaft zur Pflege der im Krieg Verwundeten und Kranken", welche auf Anregung des Hoffräuleins der Zarin Sabinina, des Leibarztes Karel und der Baronesse Frederix gegründet worden war. Auf diese Weise trat Russland als eines an der Konferenz in Genf vertretener Länder auch dieser Konvention bei.

Es sind andere wichtige Beiträge Russlands zur Humanisierung der Regeln der Kriegsführung zu erwähnen. 1862 sprach sich der bekannte russische Arzt und Forscher N.I.Pirogow für die Gründung eines internationalen Komitees der Ärzte aus. Kurz davor schätzte Henry Dunant einen mutigen Einsatz der Krankenschwestern der Kreuzerrichtungsgemeinde bei der Rettung der Verwundeten im Kriege auf der Krim 1853-1855 sehr hoch ein. Der Grossfürstin Jelena Pavlovna, der Gründerin dieser Gemeinde, schenkte Henry Dunant sein Buch in Anerkennung ihrer Taten und Verdienste.

In der Zeit 1863 - 1917 lagen keine Missverständnisse in den Beziehungen zwischen Russland und dem IKRK vor. Die russische Regierung unterstützte sehr aktiv humane Initiativen des IKRK auf den verschiedenen internationalen Konferenzen. Bevor die Bolschewiki in der Oktoberrevolution die Macht ergriffen, waren das "Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde" von 1906 und das Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs mit einem Teil "Über die Behandlung der Kriegsgefangenen" von 1907 durch Russland ratifiziert worden.

Die sowjetische Regierung von W. Lenin zeigte sich dem IKRK gegenüber ziemlich loyal. In der diplomatischen Isolation versuchte sie mit Hilfe des IKRK ein strategisches Problem zu lösen und zwar über 3 Mio. russischen Gefangenen des I. Weltkrieges zur Repatriierung zu verhelfen. Die Absicht der Bolschewiki war es, die Heimkehrer zum Instrument im Kampf gegen die Konterrevolution und den internationalen Imperialismus zu machen.

1921 wurde das Sowjetische Rote Kreuz von dem IKRK offiziell anerkannt. Die Vertretung des IKRK in Moskau wurde aber schon 1938 geschlossen. Der Leiter der Vertretung Voldemar Wehrlin kommentierte ihre Schliessung mit folgenden Worten: "Für jeden mit der Situation in der SU vertrauten Beobachter könnte das Bestehen einer Vertretung des IKRK in den letzten Jahren sogar paradox vorkommen, da es den wichtigsten Prinzipien der sowjetischen Politik widerspricht. Angesichts zunehmender Xenophobie oder zumindestens eines grossen Misstrauens dem Ausland gegenüber haben wir jedoch unsere Arbeit weiter führen dürfen, obwohl die Absicht der sowjetischen Regierung, alles Fremde aus dem Lande zu verdrängen, ab 1936 deutlich zu spüren war."

Das IKRK scheiterte auch, die sowjetische Führung in den langjährigen Verhandlungen von der Notwendigkeit der Unterzeichnung des Haager Abkommens von 1907 und des "Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen" von 1929 zu überzeugen. Das Genfer Abkommen über die Verwundeten und Kranken der Streitkräfte wurde 1931 von der SU mit einer Reihe Vorbehalte ratifiziert. Der Verzicht Moskaus das "Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen" zu ratifizieren, hatte später für viele sowjetische Kriegsgefangene schicksalsschwere Folgen.

Es betraf aber auch die in die sowjetische Gefangenschaft geratenen Bürger dritter Staaten. Alle Anträge auf Erteilung einer Auskunft über polnische Bürger, welche nach einer so genannten Befreiung in sowjetischer Hand waren, blieben ohne Antwort. Die Initiativen des Roten Kreuzes, die Suche nach den vermissten polnischen Offizieren zu beginnen, wurden überhaupt nicht beachtet. Die Betroffenen waren ja zu diesem Zeitpunkt von dem NKWD bereits erschossen. Eine andere Initiative, einen Delegierten des RK nach Moskau zu senden, wurde strikt abgelehnt. Der Botschafter der UdSSR in Frankreich J. Suritz teilte am 12.10.1939 folgendes mit: "Die UdSSR hat das "Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen" von 1929 nicht ratifiziert. Die SU ist an die Bestimmungen des Abkommens nicht gebunden. Es ist deswegen nicht ersichtlich, welche Fragen der Delegierte des IKRK regeln sollte."

Am 4. Dezember 1939 - es war der 5 Tag des Krieges zwischen Finnland und der SU - bot Max Huber der sowjetischen Regierung die Hilfe bei der Erteilung der Auskünfte über Kriegsgefangene und Verwundete an. Ausserdem gelang es dem IKRK mit der Bewilligung der finnischen Regierung ein Auskunftsbüro für Kriegsgefangene und ihre Familienangehörigen zu eröffnen und auch ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene zu besuchen. Es erfolgte keine Antwort Moskaus auf diese Initiativen. Am 7. Dezember 1939 wurde der sowjetische Botschafter J. Suritz über die Bereitschaft des IKRK, seine Delegationen nach Finnland und in die SU zu senden, erneut unterrichtet. Der sowjetische Diplomat wies in seiner Antwort darauf hin, dass es den Interessen der Regierung der UdSSR nicht entspreche. Die Anregung des IKRK, eine Vertretung der Organisation in Moskau wieder zu eröffnen, wurde von der Delegierten des RK Frau Quinche auf dem Treffen mit der Botschafterin der SU in Schweden Alexandra Kollontai besprochen. Das offizielle Schreiben des IKRK vom 20. April 1941 beinhaltete ebenfalls diese Initiative. Moskau unterliess es jedoch darauf zu reagieren.

Am 31. Januar 1940 lief bei dem IKRK ein Einspruch des finnischen RK wegen der Luftangriffe auf Hospitäler, Kranken- und Wohnhäuser ein. Die Führung des IKRK leitete diesen Einspruch nach den Grundsätzen der Neutralität und Unparteilichkeit kommentarlos nach Moskau weiter. Dieses Schreiben landete zunächst beim Chef des NKWD L. Berija, dann beim Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare W. Molotow und letzten Endes im Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten. Damit nahm es sein Ende.

Am 23. Juni 1941, ein Tag nach dem Angriff Deutschlands auf die SU, informierte Max Huber den Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten W.Molotow über die Bereitschaft des IKRK, bei dem Austausch der Listen der Kriegsgefangenen als Vermittler zu helfen. In Anbetracht der früheren misslungenen Zusammenarbeit rechnete das IKRK kaum noch mit einer positiven Reaktion Moskaus. Am 27. Juni zeigte sich aber die SU bereit, auf diesen Vorschlag einzugehen.

Diese positive Reaktion schon auf die ersten Initiativen des IKRK lässt sich leicht erklären. Zum Beginn des Krieges war die SU in einer totalen diplomatischen Isolation und brauchte dringend Verbündete. Es hätten sowohl Exilregierungen, als auch politische Parteien und verschiedene Vereine sein können. Gewiss wäre es ein unverzeihlicher Fehler gewesen, die Vorschläge dieser renommierten Organisation nicht zu beachten. Das IKRK verfügte damals über sehr kompetente Experten und Juristen, sowie über bewährte Verfahren zur Kontrolle der Regeln der Kriegsführung.

Die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens bestätigte die SU nach einigen Tagen mit der Eröffnung des Zentralen Auskunftsstelle zur Benachrichtigung über Kriegsgefangene bei dem Exekutiven Komitee des RK.

Im Juli 1941 versuchte die sowjetische Regierung die Wehrmacht bei der schnellen Offensive mit allen möglichen Mitteln zu hindern. Das Haager Abkommen über die Landkriegsordnung von 1907 hatte für die SU angesichts schwerer Lage besondere Vorteile, da es die Fliegerangriffe und die Benutzung der weittragenden Geschütze einschränkte. Die Anfrage Schwedens beantwortete die SU wie folgt: unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit ist die SU bereit, sich an die Grundsätze dieses Abkommens zu halten.

Die Rechte der Kriegsgefangenen wurden jedoch in dem Haager Abkommen im Vergleich zu dem Genfer Abkommen von 1929 nicht so ausführlich erläutert. Das war auch der Grund, warum der Bevollmächtigte des IKRK Dr. Marcel Junod dieses Problem bereits auf dem ersten Treffen mit dem sowjetischen Botschafter S. Winogradow am 23. Juli 1941 angesprochen hat. Marcel Junod versuchte schon auf diesem Treffen ein positives Resultat zu erzielen. Kurz vor dem geplanten Besuch der Vertreter des IKRK Carl Burckhardt und Edouard de Haller eines der Lager für sowjetische Kriegsgefangene, forderte Dr. Marcel Junod die SU zum ersten Schritt auf, zumindestens ein kleines Verzeichnis mit den Namen Kriegsgefangener für die Übergabe vorzubereiten und wies auf die begonnene Zusammenarbeit mit der deutschen Seite hin.

Ende August 1941 gerieten die Verhandlungen in Ankara doch in eine Sackgasse. Der deutsche Botschafter in der Türkei Franz von Papen wollte genaue Information über die Behandlung der Familien sowjetischer Kriegsgefangener von seiten der Regierung der SU bekommen. Vermutete Repressalien machten den Austausch der Listen der Kriegsgefangenen aus der Sicht der deutschen Diplomaten unmöglich. Von Papen bat den Bevollmächtigten des IKRK um eine offizielle Anfrage. Der Botschafter S. Winogradow gab M. Junod eine negative Antwort, wie es auch zu erwarten war. S. Winogradow schloss jede repressive Massnahme gegen die Familienangehörigen sowjetischer Kriegsgefangener völlig aus. Die Tatsachen zeugten jedoch von dem Gegenteil. (Die berüchtigte Anordnung Nummer 270 vom 16.08.1941 sah verschiedene Strafaktionen gegen die Verwandten der Kriegsgefangenen vor.)

Am 20. August machte der Vertreter des IKRK den Botschafter von Papen mit der Antwort sowjetischer Seite bekannt. Nach einer langen Diskussion erfolgte die Übergabe einer Liste mit den Namen von 297 sowjetischen Kriegsgefangenen. Der deutsche Botschafter bestand darauf, dass die Information über vermisste Flieger der Luftwaffe von der russischen Seite in Aussicht gestellt werden soll.

Am 3. Oktober 1941 wollte der Vorsitzende des sowjetischen Roten Kreuzes S. Kolesnikow in einem Telegramm an M. Junod mitteilen, dass die Liste von 300 deutschen Kriegsgefangenen aus dem Lager Nummer 99 bei Karaganda in kurzer Zeit an das IKRK weitergeleitet werden soll. S. Kolesnikow wandte sich auch an das IKRK mit der Bitte, die Informationen über sowjetische Kriegsgefangene (Angaben der Dienstgrade, Erkennungsmarken, Information über den Gesundheitszustand) zu erweitern. Der von dem Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten und von dem Volkskommissariat des Inneren geprüfte Text dieses Telegramms wurde aber nicht bestätigt.

Am 21. Oktober benachrichtigte das IKRK das sowjetische Rote Kreuz über seine weiteren Vorschläge zur Verbesserung der Lage sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener, da die Führung der Heeresgruppe Mitte eine grosse Gruppe verwundeter sowjetischer Kriegsgefangener entlassen wollte. Es war eine Bürde, diese im Hinterland mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Es hing wohl auch mit den Verhandlungen über die Entlassung der kranken und schwer verwundeten Gefangenen zusammen, die das IKRK mit der deutschen und sowjetischen Seite zu dieser Zeit in Ankara führte. Bereits im Oktober informierte M. Junod den türkischen Ministerpräsidenten Refik Saydam, dass diese Verhandlungen leider keinen Erfolg gebracht hatten. Am 14. November 1941 teilte das Oberkommando Wehrmacht auf Anfragen einiger Organisationen mit, dass der Transport der schwer verwundeten deutschen Gefangenen nach Deutschland momentan unmöglich ist. Aus diesem Grund sollen auch invalide sowjetische Gefangene in deutschem Gewahrsam bleiben.

Ende November 1941 reiste M. Junod zu den Verhandlungen mit dem General Hermann Reinecke aus Ankara nach Berlin. Am 19. Dezember wurde Max Huber benachrichtigt, dass das Oberkommando Wehrmacht bereit sei, dem IKRK ein Verzeichnis von 500 000 sowjetischen Kriegsgefangenen zu übergeben. Kurz darauf sprach sich Adolf Hitler aber dagegen aus, indem er zwei Argumente anführte. Erstens würden deutsche Soldaten nach dieser Vereinbarung Illusionen hegen, dass die Willkür den deutschen Kriegsgefangenen gegenüber damit ihr Ende nimmt. Zweitens würde dann auch die Tatsache an den Tag kommen, dass eine grosse Zahl der sowjetischen Gefangenen umgekommen sind. Am 9. Februar 1942 wurde von der deutschen Führung endgültig beschlossen, keine Kriegsgefangenenlisten dem IKRK mehr zu übergeben und Besuche Delegierter des RK in den Lagern für sowjetische Kriegsgefangene einzustellen.

Man muss aber einsehen, dass der Volkskommissar Molotow eine ähnliche Meinung noch am 13. Januar 1942, d.h. früher als A. Hitler, intern äusserte, wobei er auf den schriftlichen Bericht Wyschinskis über eventuelle gegenseitige Übergabe der Kriegsgefangenenlisten auf die Verletzung aller Normen des Völkerrechts durch die deutsche Seite hinwies.

Am 11. März 1943 forderte der Reichsaussenminister Ribbentrop die deutsche Botschaft in Stockholm auf, die Verhandlungen mit der schwedischen Seite durchzuführen, damit der Präsident des schwedischen RK Prinz Karl die Frage der Übergabe der Kriegsgefangenenlisten an die Regierung der SU nicht mehr stelle. Die Deutsche Botschaft sollte bei diesen Verhandlungen zwei Beweisgründe anführen. Erstens würde die sowjetische Seite angeblich gefälschte Listen vorlegen, was den Familienangehörigen viel Leid verursachen würde. Zweitens würde man damit die Familien der sowjetischen Kriegsgefangenen den Repressalien durch den NKWD aussetzen.

Im September 1942 wurde die Möglichkeit des Briefverkehrs für Kriegsgefangene von dem NKWD angesprochen. Diese Initiative betraf aber nur ausländische Kriegsgefangene. Eine der sowjetischern Regierung vorgelegte Anordnung gab den sowjetischen Gefangenen kein Recht auf Briefverkehr. Vom September bis November 1942 durften einige Tausende Kriegsgefangener kurze Mitteilungen nach Hause schicken. Alle Postkarten wurden einer strenger Zensur unterworfen. Das Volkskommissariat für das Innere sollte dafür sorgen, dass diese Briefe vor allem über gute Lebensverhältnisse in der SU berichteten.

Bis zum Ende 1943 hat das IKRK 6 000 Postkarten nach Deutschland weitergeleitet. Diese Postkarten konnten auch ihre Empfänger erreichen. Es war eigentlich ein Zusammentreffen von verschiedenen Umständen. Der Zensurdienst war zu dieser Zeit von der Wehrmacht an die Polizei übergeben worden, was einige Unstimmigkeiten verursachte. Ein grosser Teil der Briefe war bei den Familienangehörigen deutscher Kriegsgefangener eingetroffen. Die deutsche Führung geriet in Verwirrung. Diese Nachrichten von den deutschen Kriegsgefangenen haben sich schnell landesweit verbreitet und haben die Mythen der nazistischen Propaganda über angebliche Erschiessungen oder den furchtbaren Tod in Sibirien widerlegt. Man überliess es dem Führer zu entscheiden, was in diesem Fall vorgenommen werden soll. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel und der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels haben dieses Thema dreimal angesprochen. Hitler blieb aber unbeugsam: die deutschen Bürger sollen keine Post aus der SU erhalten.

Moskau betrachtete diesen begrenzten Briefverkehr als ein reines Propagandamanöver und rechnete kaum mit einer guten Reaktion aus Berlin.

Am 25. Juni 1942 richtete Max Huber ein Memorandum mit der Hoffnung auf die Zusammenarbeit mit der SU an W. Molotow, das sämtliche Initiativen des IKRK zur Verbesserung der Lage der Kriegsopfer beinhaltete. Es erfolgte keine Antwort von der sowjetischen Seite.

Das Verhältnis der SU dem IKRK gegenüber verschlechterte sich auch sehr im Zusammenhang mit dem Fall Katyn. Die SU leugnete ihre Teilnahme an den Erschiessungen der gefangenen polnischen Offiziere und wälzte die Verantwortung auf die deutsche Seite ab. Im April 1943 hatte die deutsche Führung vor, eine Untersuchung dieses Falls durch das IKRK zu veranlassen. Die Reaktion der sowjetischen Seite, auch die von J. Stalin persönlich war sehr negativ. Der neulich ernannte Bevollmächtigte des IKRK Voldemar Wehrlin musste sich sogar vor der sowjetischen Führung rechtfertigen. Am 6. Mai 1943 teilte er dem sowjetischen Botschafter S. Winogradow mit, dass das IKRK seine Delegierten nach Katyn gesandt hätte, falls alle Parteien es angeregt hätten. Das IKRK würde keine Untersuchung ohne Bewilligung der sowjetischen Regierung beginnen, so Voldemar Wehrlin.

Mehrere Versuche des IKRK, gute Beziehungen mit der SU herzustellen, brachten den Vorsitzenden des Exekutiven Kommitees des sowjetischen Roten Kreuzes Kolesnikow zum Entschluss, sich persönlich an den Aussenminister Molotow zu wenden. In seinem Brief vom 5. Mai 1943 musste Kolesnikow einsehen, dass die von ihm geleitete Organisation ihre Ziele und Aufgaben zur Verbesserung der Lage Kriegsgefangener nicht erfüllt. "Laut Anweisungen des Volkskommissariats für auswärtige Angelegenheiten haben wir sowohl auf die Anträge einzelner Antragsteller, als auch auf die Gruppenanträge, sowie auf die Anträge des IKRK in Genf und seiner Vertretung in Ankara keine Antwort gegeben". Der Autor dieses Schreibens wollte den Volkskommissar Molotow von der Bedeutung guter Beziehungen mit dem IKRK überzeugen, was zu gutem Image des sowjetischen RK im Ausland beitragen und der feindlichen antisowjetischen Propaganda hinsichtlich schlechter Behandlung der Kriegsgefangenen keine Nahrung geben würde.

Nach der Kapitulation Deutschlands trat das IKRK mit der SU, den USA und Großbritannien in die Verhandlungen über die Entlassung der gefangenen Soldaten und Offiziere ein. Die Einstellung der SU zu diesem Problem war besonders rigoros. Nach den Plänen der Regierung der UdSSR sollten die Kriegsgefangenen bei dem Wiederaufbau der sowjetischen Wirtschaft im Laufe von zumindestens 10 Jahren eingesetzt werden.

Es war allerdings unmöglich, einen Rechtsanspruch gegen die Sieger zu erheben. Der Artikel 75 des Genfer Abkommens von 1929 sieht eine möglichst schnelle Repatriierung der Kriegsgefangenen nach dem Friedensschluss vor. Nach der Verhaftung von Dönitz und anderer Regierungsmitglieder hatte Deutschland keine Regierung, mit welcher man diese Fragen hätte regeln können. Mit dem Memorandum des IKRK vom 21. August 1945 regte Max Huber die USA, Grossbritanien und Frankreich an, eine Lösung dieses Problem ohne Formalitäten zu finden, da es um die Menschen geht. Der Termin der Entlassung sollte jedenfalls so schnell wie möglich bekanntgegeben werden.

Die Archive deuten auf eine positive Reaktion der USA hin. Am 17. November 1945 hat sich der Botschafter der USA A. Harriman an die Regierung der SU mit einem Vorschlag gewandt, eine Initiative des IKRK zur Einberufung einer inoffiziellen Konferenz für die Revision des Abkommens über die Kriegsopfer zu unterstützen. Die Leitung des Volkskommissariats für auswärtige Angelegenheiten sah leider in dieser Initiative des IKRK nur das Vorhaben, den Kriegsgefangenen zur Heimkehr zu verhelfen. Der stellvertretende Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten A. Wyschinski kommentierte diese negative Antwort mit folgenden Worten: "Es würde einen schlechten Eindruck auf die Weltöffentlichkeit machen, sollten die Sieger die Vorbereitung des Abkommens über Kriegsgefangene gleich nach dem Friedensschluss beginnen."

Am 18. August 1948, an einem Tag vor der Eröffnung der 17. Rotkreuz-Konferenz in Stockholm, erhielt der Leiter der Delegation des sowjetischen Roten Kreuzes B. Paschkow ein Telegramm von dem Vorsitzenden des Exekutiven Kommitees des Roten Kreuzes der SU W. Cholodkow. Der Vorsitzende bestätigte das negative Verhältnis des sowjetischen Roten Kreuzes zu dieser Konferenz und veranlasste, diese Meinung auf der Konferenz offiziell zu vertreten. Aus dem schriftlichen Bericht von B. Paschkow erfahren wir über die Details dieser internen Direktive.

Nachdem ein Delegierter aus Australien eine Resolution über den positiven Beitrag des IKRK während des zweiten Weltkrieges zur Abstimmung gebracht hatte, erfolgte ein Einspruch der sowjetischen Delegation. Ausserdem bestand die sowjetische Seite auf der Gründung eines vereinten Zentrums des Roten Kreuzes und auf der Verabschiedung eines einheitlichen Abkommens zum Schutz der Kriegsopfer. Diese Demarchen fanden aber keine Unterstützung bei den anderen Teilnehmern des internationalen Forums.

1949 nahm die SU an der diplomatischen Konferenz in Genf teil. Die Vertreter des sowjetischen RK machten im Laufe der Konferenz einige Vorschläge. Erstens sollte das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen den Artikel über strafrechtliche Verantwortlichkeit der Kriegsgefangenen für die Verletzung der Regeln und Gebräuche der Kriegsführung bis auf weiteres erhalten bleiben. Zweitens sollte jede Agitation gegen die Heimkehr als rechtswidrig anerkannt werden. Drittens sollten Kriegsgefangene auf ihre von diesem Abkommen vorgesehenen Rechte nicht verzichten dürfen. Diese Vorschläge hatten sicherlich einen politischen Charakter. Erstens hatte die sowjetische Führung die Absicht, 50 000 deutsche Kriegsgefangene vor Gericht zu stellen. Zweitens wollte sie die Heimkehr der sowjetischen Bürger sicherstellen und beschleunigen, damit diese von den westlichen Nachrichtendiensten für Spionage und antisowjetische Propaganda nicht eingesetzt werden könnten.

Eine Unterstützung der Friedenbewegung wurde Ende der 40er Jahre zu einem der wichtigsten Ziele der Aussenpolitik der SU. Im Frühling und Sommer 1950 liefen grosse Vorbereitungen für den 2. Friedenskongress. Es wurden Protestaktionen gegen den von den Imperialisten entfesselten Krieg in Korea, Versammlungen und Foren gegen die Verbreitung der Kernwaffen durchgeführt. Diese Aussenpolitik sollte auch eine Unterstützung der Initiativen der SU durch verschiedene Parteien und Organisationen im Ausland erzielen. In diesen Tagen forderte das IKRK die Regierungen der 62 Staaten zu aktiven Maßnahmen gegen die Herstellung der Kernwaffen auf. Die SU beachtete auch diese Initiative des IKRK. Am 20. Oktober 1950 richtete der neue Vorsitzende des sowjetischen Roten Kreuzes W. Cholodkow eine Einladung zu einem offiziellen Besuch der SU an den Vorsitzenden des IKRK P. Rüger. Das IKRK hatte diese Einladung angenommen und vorgeschlagen, neben der Entwicklung der Zusammenarbeit zugleich eine Vertretung des IKRK in Moskau zu eröffnen.

Eine Delegation des IKRK unter der Leitung des Präsidenten P. Rüger traf am 10. November 1950 in Moskau ein. Am nächsten Tag wurde in der Vertretung der Gesellschaft des Roten Kreuzes der UdSSR eine Reihe Fragen zur Diskussion gestellt. Unter den wichtigsten Themen standen:

  • Aufnahme der offiziellen Beziehungen zwischen der UdSSR und dem IKRK,
  • regionale Konflikte in der Welt und ihre Lösung,
  • Genfer Abkommen von 1949 und seine Ratifizierung,
  • humanitäre Tätigkeit des RK bei der Suche nach in Kriegen und bewaffneten Konflikten vermissten Personen.

Der Gesandte der Schweiz in der UdSSR Minister Camille Gorgé schätzte den Besuch der Delegation des IKRK in die SU sehr hoch ein. Er wies auf die positiven Resultate dieses Besuches, vor allem auf die Wiederaufnahme der guten Beziehungen zwischen Moskau und Genf hin. Die optimistischen Prognosen trafen auch für eine gewisse Zeit ein. Am 22. August 1951 fasste der Vorstand der Gesellschaft des Roten Kreuzes der UdSSR einen Entschluss, offizielle Beziehungen mit dem IKRK aufzunehmen. Vorgesehen waren eine Eröffnung der Vertretung des IKRK in Moskau, eine Entrichtung des Eintrittsbeitrages und andere beiderseitige Verpflichtungen. Eine Verschärfung der ideologischen und militärpolitischen Beziehungen zwischen der SU und den USA zerstörte damals diese Pläne.

Während des koreanischen Krieges sandte das IKRK seine Delegierten mehrere Male zur Kontrolle der Einhaltung der Regeln und Gebräuche der Kriegsführung. Bis zum 23. November 1951 liefen bei dem IKRK 19 Mitteilungen über die Verletzung der Genfer Abkommen durch beide Seiten ein. Die letzte von diesen Mitteilungen war ein von der sowjetischen Seite initiierter "Vortrag der Kommission des Internationalen demokratischen Frauenbundes". Dieser Vortrag überführte amerikanische und südkoreanische Streitkräfte einer ganzen Reihe der Verbrechen und der Verletzung des humanitären Völkerrechts. In dieser Situation musste das IKRK ein Memorandum veröffentlichen, in dem es seine Unparteilichkeit unterstrich und seine Rolle bei der Untersuchung beiderseitiger Verletzungen des Völkerrechtes erläuterte.

Im April 1952 kritisierte der Vertreter der UdSSR bei der Organisation der Vereinten Nationen in einer Sitzung der Abrüstungskommission sehr scharf die Tätigkeit des IKRK während des koreanischen Krieges und beschuldigte das IKRK der Mithilfe beim amerikanischen Imperialismus. Sowjetische Zeitungen brachten mehrere entrüstete Anklageartikel gegen das IKRK. Die Zeitung "Prawda" berichtete, dass die Vertreter des RK die Verletzung der Rechte der Kriegsgefangenen und der Zivilpersonen in den amerikanischen Lagern in Südkorea bewusst nicht beachtet hatten. Der Autor dieses Artikels hat eine ganz einfache Erklärung dafür. Die Spenden aus den USA machen den grössten Anteil in dem Etat des IKRK aus. Ausserdem hätte das IKRK viel Erfahrung bei der "Verheimlichung der Kriegsverbrechen" während des II. Weltkrieges gesammelt. Unbeachtet wären auch die Greueltaten in den Konzentrationslagern Majdanek, Auschwitz und Buchenwald geblieben.

1952 wurde der Höhepunkt der Konfrontation zwischen der SU und dem IKRK erreicht. Es waren 40 Jahre vergangen, bis die Beziehungen zwischen dem IKRK und Russland als einem Nachfolgestaat der UdSSR wieder aufgenommen wurden.

Übersetzung aus dem Russischen durch A.Sytschow und A.Prinzing

Kategorie: Veranstaltungen | Hinzugefügt von: Anatoli
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