- Hier meine Stellungnahme zum Thema: "Sowjetische Gefangenschaft - von
einem ehemaligen Angehörigen der Deutschen Wehrmacht aus - betrachtet" -
Gestatten Sie mir, zuvor ein kurzes Gebet zu sprechen, in das ich Sie alle
einschliesse. - "Gibt es einen Befreier von Schwierigkeiten ausser Gott ?
- Sprich: gelobt sei Gott, Er ist Gott. - Alle sind Seine Diener und alle
steh`n durch Sein Gebot." Bab. - Und ein Sinnspruch von Thomas von Aquin,
den ich mir zueigen gemacht habe: "Habe dein Schicksal lieb, es ist der
Gang Gottes mit deiner Seele." - Es wurde mir wohl in die Wiege gelegt,
Schauspieler zu werden, denn mit einem Jahr bekam ich den ersten
Filmvertrag, d.h. meine liebe Mutter - sie war Opernsängerin - nahm ihn
für mich entgegen. - Mein lieber Vater war Kaufmann und ich wurde am 28.
01. 1925 in Berlin geboren. - Mit 12 Jahren fasste ich den Entschluss,
Schauspieler zu werden und hatte mit 13 Jahren mein 1. Debüt am Deutschen
Theater in Berlin und am Josephstätter-Theater in Wien. - Als ich 14 Jahre
alt war und das Gymnasium besuchte, brach der 2. Weltkrieg aus. - Von 16 -
18 Jahren besuchte ich die Staatliche Schauspielschule am Staatstheater in
Berlin. - Beim ersten Grossangriff auf Berlin (01. März 1943), wurden wir
total ausgebombt. - Und im gleichen Jahr starb mein Bruder mit 20 Jahren
an einer Krankheit als Militärperson (er war in Russland im Einsatz). -
1/2 Jahr war ich noch am Theater (Karlsbad), dann wurde ich zur Wehrmacht
einberufen. - Mit 18 Jahren Soldat, mit 19 Jahren als
Gruppenführer-Unteroffizier an die Front in Ungarn (nach dem Fall von
Stalingrad). - Wir befanden uns auf dem Rückzug und die Durchhalte-Parole
hiess: "Sieg oder Sibirien!" - Mit 20 Jahren geriet ich in der
Tschechoslowakei - 1 Tag nach Kriegsende, nicht weit von Prag - in
Russische Gefangenschaft. - Die russischen Soldaten kamen auf uns zu und
riefen schon von Weitem: "Kamerad - Voina kaput - skoro damoi - bald
nachhause ..." - Allgemeines Aufatmen, der Krieg war zuende! - Vom 1.
Auffanglager führte man uns - auf dem "Todesmarsch" nach Prag (ca. 20
km.). - Von Prag zurück nach Pirna bei Dresden, dort würden wir entlassen?
- "Sieg" gab es nicht und Sibirien wird es wohl nicht geben, sonst würden
sie uns ja nicht zurück in die Heimat bringen? - Es hiess, wir kämen noch
zum Wiederaufbau des Stettiner Hafens dorthin, Offiziere zur Aufsicht,
gemäss der Genfer Konvention? - 3 Tage Bahnfahrt. - Ein Güterzug mit
Viehwagen fuhr vor, wir wurden zu 45 Mann in die Wagons hineingepfercht
und aus 3 Tagen wurden 33 Tage und wir landeten hier, in Tscherepowez. -
Also doch "Sibirien?!" - Alles Vertrauen, alle Hoffnung, alle Zuversicht
war dahin! - Das Lagerleben begann, erst bei Tscherepowez, dann bei
Vologda und Sokol. - Das Schlimmste war die Ungewissheit, denn niemand hat
uns gesagt, wie lange die Gefangenschaft dauern würde, wann und ob wir
überhaupt jemals die Heimat wiedersehen würden? - Dann das Klima, der
lange Winter, die Kälte! - Die Unterkünfte, auf den Holzpritschen, wie die
Oelsardinen? - Die Verpflegung??? - Die Arbeiten, die auch wir als
Offiziere genau so zu verrichten hatten? - Die Arbeitsnormen? - Die
robuste Behandlung? - Das Ungeziefer?! - Die Hygiene? - Keinerlei Kontakte
zur Aussenwelt - spärliche Post? - Kein Papier, Zeitung, Bücher oder
sonst? - Krankheiten (selber bekam ich Gelbsucht, 2 mal Gesichtsrose,
Bauchtyphus, man legte mich auf`s Sterbezimmer und hätte ein Kamerad mich
nicht mit etwas abgekochtem Wasser versorgt, stünde ich heut` nicht hier).
- Mangelnde ärztliche Betreuung? - Medikamente = Null! - Wo blieb das
IKRK? - Die lange Dauer - die Aussichtslosigkeit - die Ohnmacht - führte
bei vielen schliesslich zur Hoffnungslosigkeit, dies` alles zusammen liess
uns diese Gefangenschaft zur Hölle werden, aus der es scheinbar kein
Entrinnen gab? - Wer da keinen Glauben hatte, oder gar seinem Glauben
abgeschworen hat, sich selber aufgab, der hatte keine Chance, der war
rettungslos verloren! - Darum - so will ich meinen - sind so viele
gestorben? - So war es mir - dank der Gnade Gottes - vergönnt, 1949
heimzukehren! - So fand ich wieder zu meinen Angehörigen (Mutter,
Schwester und später auch zu meinem Vater in der Schweiz), zu einem
Neubeginn am Theater, fand später die Frau meines Leben`s, die - als
Perserin - mich mit dem Baha`i - Glauben bekannt gemacht hat und wir drei
Töchter haben und Gott mich schliesslich - nach der Wende - zum Baha`i -
Glauben finden liess (1990). - Dieser neue Glaube, mit einer neuen
Zukunfts-Perspektive, Zukunfts-Vision, gab mir die nötige Motivation,
hierher zurückzukehren (1994). - Fand hier in Vologda zu einer
Gastfamilie, die mich aufnahm, wie einen verloren geglaubten Sohn, der
plötzlich wieder auftaucht, als hätte ich immer schon zu ihrer
Verwandtschaft gehört?! - Lernte meine Dolmetscherin kennen, die
inzwischen geheiratet hat, ein Bübchen hat und mit ihrem Mann in
Tscherepowez lebt, meiner 2. Gastfamilie. - Inzwischen war ich schon 3 mal
wieder hier (1998, 1999, 2001). - Jedesmal hat sich der Kreis vergrössert
und dass ich heute hier vor Ihnen stehen darf, gereicht mir zur Ehre, vor
diesem Kreis, die Sie es sich zur Aufgabe gemacht haben, die nicht in
Vergessenheit geraten zu lassen, die durch Kriegseinwirkungen, oder
Gewaltherrschaft um`s Leben kamen, oder geschädigt wurden, so auch dem
Schicksal der damaligen Kriegsgefangenen in Ihrem Gebiet, angenommen
haben. - Möge Gott Ihnen die nötige Kraft verleihen, die es braucht, um
Ihre Ziele wahrnehmen- und durchsetzen zu können. - So lassen Sie mich
schliessen mit ein paar kurzen Zitaten von Baha`u`llah (Herrlichkeit
Gottes) - 1817-1892 - dem Stifter der Baha`i - Religion: "Die Erde ist nur
ein Land und alle Menschen sind seine Bürger." - "Es rühme sich nicht, wer
sein Vaterland liebt, sondern der die ganze Welt liebt." - "Hass ist
Finsternis, wo immer er nistet und Liebe ist Licht, wo immer sie wohnt." -
Und schliesslich: "Ihr seid die Blätter eines Zweiges, ihr seid die
Früchte eines Baumes, ihr seid die Tropfen eines Meeres und ihr seid die
Blumen eines Gartens." - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! - |