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Raimund Nowicki: Brigadestreik in Sokol
18.10.2013, 12:21

Auszug aus dem Buch "Eine Generation verabschiedet sich" von Jürgen Klosa

In der Holzfabrik in der Nähe des russischen Gefangenenlagers Sokol herrschte Unruhe. Die deutschen Arbeiter befanden sich im Streik. Der neue Brigadier hatte sie dazu aufgerufen. Hintergrund war, dass die russischen Schreiberinnen die vom Brigadier angegebenen Prozente für die deutschen Kriegsgefangenen nicht akzeptieren wollten. In ihren Augen war es nicht möglich gewesen, dass sich die Leistung der Arbeiter plötzlich von 100 auf 200 % erhöht haben sollte. Es war für sie zu auffällig, und das konnte der neue Brigadier Nowicki aus Deutschland unmöglich bewirkt haben. Die Frauen diskutierten mit dem herausgeputzten „Nemetz" (Deutscher) und widersprachen ihm heftig.

Raimund Nowicki, der bereits seit dreieinhalb Jahren in Russland war, dachte nicht daran, seine Zahlen zu korrigieren. Er wusste, dass die Leistung mit der Essensration der Kameraden gekoppelt war und wollte sie unbedingt erhöhen. Natürlich waren seine Angaben „frisiert", aber wie wollte er sonst mehr Essen für seine Leute herausholen? Er setzte auf den Spruch ‚Frechheit siegt' und ging aufs Ganze. Dem setzte er mit dem von ihm angezettelten Streik die Krone auf. Dadurch stand der Betrieb still. Die Gefangenen lieferten kein geschältes Holz mehr und die Arbeiterinnen konnten nicht weiterarbeiten.

Der Konflikt hatte sich also zugespitzt. Der deutsche Brigadier, der mit langen Haaren, einem weißen Hemd, geschneiderten Reithosen, Stoffstiefeln und dem obligatorischen Bleistift hinter dem Ohr vor den Frauen stand, wollte den Betriebsleiter sprechen. ‚Kanjeschna' (natürlich) hieß es, und bald wurde das Problem in dessen Beisein erörtert.

Nowicki benahm sich, wie er es in Russland gelernt hatte, und das hieß‚ wer schreit, hat Recht!’ So begann er „seine Vorstellung" und fing an, vor dem Chef rumzuspringen wie „Rumpelstilzchen". Ein Dolmetscher war zugegen, der dem Betriebsleiter alles übersetzte. Besonders das Wort „Panzerkapitän" (Lagerchef) betonte Nowicki bei seiner Redeschlacht - warum auch immer. Als er mit Wort und Gestik zu Ende war, herrschte einen Moment Stille. Danach meinte der Chef nur ‚Pischisch!' (schreibe) und zeigte auf die Schreiberinnen. Sie schauten entsetzt zurück, mussten aber tun, wie ihnen gesagt wurde.

Es war ein Erfolg auf der ganzen Linie für Raimund Nowicki, der somit unterm Strich die doppelte Essensration für die Arbeiter herausgeholt hatte. Er versuchte auf seine Art in einer Zwangssituation den vorhandenen Spielraum auszunutzen. Und es war ihm egal, für seine Ziele Tricks oder auch List einzusetzen.

Kategorie: Erinnerungen von Kriegsgefangenen | Hinzugefügt von: Anatoli
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